Donnerstag, 11. März 2010

Die gemobbten Kinder der Erwerbslosen - die möglichen Folgen von Sachleistungen für sie

Für die vielen gemobbten Kinder von Erwerbslosen sind Sachleistungen und Gutscheine im Gespräch. Was für Folgen könnte es für die Kinder haben, wenn bei Sachleistungen nicht behutsam vorgegangen und der Datenschutz nicht eingehalten wird?

Mit freundlicher Erlaubnis stelle ich die Meinung zu Sachleistungen und die Erfahrungswerte einer Mutter ein:
Nee, tut mir leid - ob und wieviel ich an Einkommen habe und woher es kommt, das sind persönliche Daten, die die Quasseltanten in der Schule einen Dreck angehen. Wir hatten erst neulich einen Schulelternabend, u.a. wurde ein zur Zeit erkranktes "Störenfried"-Kind von den Eltern thematisiert. Vom Lehrer kam fast als Erstes: "Nun, die heimische Situation spielt natürlich auch eine Rolle. Die Mutter ist allein erziehend, sie bezieht Hartz 4. Sie verstehen."
Soviel zu Datenschutz ! (Vom Inhalt der Aussage mal ganz abgesehen.)

Ich kenne durch meinen und Sohns Bekannten-und Freundeskreis hier im Umkreis nicht eine EINZIGE Schule, an der die "Hartz-Asis" und "Eurofresser" unter den Schülern NICHT ständig auf dem Kieker der Mitschüler sind. In letzter Zeit (wen wundert's) noch verstärkt - da wird gemobbt, aufgelauert, zusammengekloppt, die "Prolo-Kleidung" beim Umziehen im Sportunterricht versaut und versteckt. Es werden in der Schulmensa Spott-Raps gesungen über die "Chip-Kids". Und wir reden hier NICHT von "sozialem Brennpunkt", im Gegenteil! (Aber vielleicht ja gerade deshalb...)

Nee - bevor ich meinem Kind DAS Spießrutenlaufen und den täglichen Horror zumute, ess ich selber nix mehr und lasse mir sonstwas einfallen, spuck was auf die "Regeln". Zumindest hier bei uns ist der Datenschutz aber leider schlichtweg nicht gewährleistet. Das ist einfach so. Habe ich schon etliche Male feststellen müssen, schon in der Grundschule.

In der Klasse wusste jetzt von ihr niemand, dass diese Mutter, von der auf diesem Elternabend gesprochen wurde, im ALG-II-Bezug steht. Ich habe sie (da ich sie flüchtig kenne) ein paar Tage später mal alleine angesprochen und ihr vorsichtig Hilfe angeboten, falls mal was mit der ARGE sein sollte o.s. Sie war völlig aufgelöst. Ihre Kinder wussten bisher nichts vom ALG-II-Bezug, und auch sonst niemand - eben weil sie diese Hänseleien vermeiden und ihre Kinder nicht mit Existenzängsten belasten wollte. Ihre Kinder denken, ihr kleines Gewerbe läuft eben nicht mehr so gut und deshalb seien sie eben knapp bei Kasse.

Die Mutter hat bisher mit niemandem außerhalb der ARGE etc. über ihren Leistungsbezug gesprochen. Weil die ARGE wegen irgendeiner Logopäden-Geschichte für das eine Kind aber eine Bescheinigung von der Schule verlangte, musste sie ins Schulsekretariat und erklären, warum und für wen sie das brauchte. Sie erzählte mir, dass sie im Büro sogar noch extra darauf hingewiesen hat, dass das strikt vertraulich wäre und an niemanden weitergegeben werden sollte.

Und schwupps, erfährt es trotzdem das ganze unterrichtende Lehrerkollegium und gleich wird es 30 anderen Eltern am Elternabend berichtet von denen etliche ihren Kindern erzählt haben werden: "Dein Mitschüler X ist manchmal so verhaltensauffällig, weil er aus einer schwierigen Familie kommt, wo sie arm sind und Hartz bekommen." Und so erfährt dann jetzt auch der Junge, wo er in der Gesellschaftordnung offiziell "steht" .

Ich meine, klar - das muss natürlich jeder selber wissen, wie er innerhalb der Familie und Schule und Gemeinde usw.mit seinem Leistungsbezug umgeht. Das ist aber eben auch typ-und situationsabhängig. Ich kann ja nur von mir ausgehen - und wenn ich es (auf welchem Wege auch immer) vermeiden kann, dass Leute von unserem Leistungsbezug erfahren, von denen ich das nicht will und die das überhaupt nix angeht, dann mach ich das auch nicht.

Und was diese Sachleistungen "nur für uns" und nicht für alle Kinder angeht: Nee - an dem Punkt bin ich noch nicht, dass ich das einfach ohne Widerstand akzeptieren könnte und würde. Seit Jahren reissen wir uns den Ar*** auf, um uns unsere Bürgerrechte nicht völlig abnehmen zu lassen. Wir investieren viel Zeit und Energie und Einsatz, um uns selber und anderen zu unseren (bisher NOCH bestehenden) Grundrechten zu verhelfen. Und jetzt soll ich, nur weil ich unseren Bedarf nicht vollständig selber aufbringen kann, einfach hinnehmen, dass man mir auf einmal die Fähigkeit und Elternsorge abspricht, Bargeld für mein Kind korrekt zu verwenden - mit der Begründung und Unterstellung, dass ich das Geld wohlmöglich verrauchen und versaufen würde?!

Wenn ich das akzeptiere und annehme, dann akzeptiere ich auch die Stigmatisierung und Diskriminierung und trage es ganz "offiziell" mit, dass das Grundgesetz, die Bürgerrechte, der Datenschutz usw. für mich nicht gelten. Keiner, der seine Steuererklärung ausfüllt, muss seine Würde und Selbstverantwortung öffentlich aufgeben, nur weil es Steuerhinterzieher gibt. Kein Nicht-ALG-II-Bezieher, der Kindergeld bekommt, muss nachweisen, dass er das Geld tatsächlich für sein Kind verwendet und er bekommt es auch nicht durch zweckgebundene Gutscheine, aber 7 Millionen Bürger stehen unter Missbrauchs-Generalverdacht und sind vor dem Gesetz anders zu "werten"?!

Die Extra-Kosten für den verwaltungstechnischen Aufwand für Gutscheine für alle ALG-II-Bezieher stehen in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen, wenigen "Missbrauchsfällen" , wo Gutscheine sinnvoll sein mögen. Wer davon saufen will, findet aber auch mit Gutscheinen einen Weg, aber das ist noch eine ganz andere Geschichte. Früher gab es hier Barbekleidungs- oder Möbelzuschüsse und es mussten Kaufquittungen als Nachweis vorgelegt werden. Hab ich kein Problem mit. Warum sollte das nicht weiter so gehandhabt werden können? Der Überprüfungsaufwand wäre garantiert nicht höher als diese Gutscheinabrechnerei. Mit Gutscheinen kriegen gesetzlich vorgesehene Leistungen den endgültigen Almosencharakter, auch in der Öffentlichkeit und an der Kasse. Almosen der Mitbürger/Steuerzahler, die man dankbar beim Einkaufen vorlegen soll.

Es kann nicht sein, dass eine ganze Bevölkerungsgruppe unter Generalverdacht gestellt wird. Dieser Eindruck entsteht zwangsläufig, wenn ständig von Kontrollen, um "Missbrauch" vorzubeugen, die Rede ist. Das heißt, ALLE ALG-II-Bezieher sind erstmal des Leistungsmissbrauches verdächtig und das ist einfach nur unfair! Diese Kontrollen dienen (angeblich) dazu, den Verdacht auszuräumen. (Und ich dachte, in diesem Land gilt die Unschuldsvermutung, aber offenbar nicht für ALG-II-Bezieher). Gibt ein Hartz-Empfänger bei Abgabe des Antrages auch seine Persönlichkeitsrechte im Büro des SB ab?

Es würde ja auch niemand hergehen und ALLE Männer einsperren oder ihnen Fußfesseln anlegen wollen, um sie überwachen zu können, weil Kindesmissbrauch und Vergewaltigung meistens von Männern begangen wird. Ok, ist etwas überspitzt dargestellt, ist doch aber Dasselbe in Grün.

Gutscheine (Sachleistungen) nur für ALG-II-Bezieher(-Kinder) würden auf jeden Fall zu einer weiteren Stigmatisierung dieser Menschen beitragen, so dass noch mehr der Eindruck entsteht, dass ALG-II-Bezieher nicht vernünftig mit Geld umgehen können und diese dann noch mehr als "Bittsteller" angesehen werden, die nur dank der Gnade der Steuerzahler existieren dürfen, weswegen diese (ihrer Meinung nach zu Recht) auf den ALGII-Beziehern rumtrampeln dürfen. Die Medien und unsere Volks(ver)treter machen das ja auch.

Mir ist in dem Zusammenhang (Sachleistungen für ALG-II-Bezieher-Kinder) noch ein anderer Gedanke gekommen: es wird ja auch behauptet, dass ALG-II-Bezieher das Kinderkriegen als eine Art "Einkommensmodell" sehen. Wenn man mal auf die andere Seite schaut und genauso bösartig argumentieren wollte, könnte man ja auch genausogut behaupten, dass Besserverdienende sich nur Kinder "anschaffen", um Steuern zu sparen. Ist genauso überspitzt ausgedrückt wie das andere, käme doch aber auf Dasselbe raus oder Kinder als "Geldmaschine"? Darüber könnte man doch auch mal nachdenken...

Insgesamt sehe ich das so, dass man Angebote für Kinder generell besser gestalten sollte. Also Angebote für alle Kinder und nicht die Stigmatisierung von armen Kindern/ALG-II-Bezieher-Kindern.

Ich habe mich gemeldet, als der Lehrer mit dem Rest seines kleinen "Erklärungs"-Vortrags über das Kind fertig war und habe gefragt, ob die (nicht anwesende) Frau X eigentlich darüber informiert und damit einverstanden war, dass wir anderen Eltern davon erfahren, dass sie ALG-II bezieht und dass ich der Meinung bin, dass uns als Außenstehende solche persönlichen Informationen gar nichts angehen. Er guckte kurz etwas perplex, aber rettete sich als erfahrener Lehrer natürlich schnell aus der Situation - nach dem Motto, er hätte das ja auch nur erwähnt, damit die Klasseneltern die Störungen des "Problemkinds" etwas differenzierter und im "größeren Zusammenhang" betrachtet einschätzen mit dem Unterton: "Die Schule kann schließlich nicht alles ausbügeln, was privat bei den Kindern noch hinzukommt". Und außerdem seien wir doch schließlich alle eine Klassengemeinschaft - wo man sich auch mal um einander Gedanken machen sollte, blabla...

Es ist übrigens derselbe Lehrer, den ich schon mal darauf angesprochen habe, dass er Kindern, die Hausaufgaben vergessen hatten oder unaufmerksam waren, die schulhofreinigenden 1-Euro-Jobber als Beispiel vorgehalten hat, von wegen "Da kommt man dann am Ende hin, wenn man wie Ihr meint, man müsste nicht lernen und nichts für die Schule tun!"

Kommentar:
Die Schreiberin hat mächtig Gas gegeben und ich gebe ihr Recht. Irgendeiner plaudert immer "vertrauliche" Dinge aus, die man nicht ausplaudern sollte. Auf den Datenschutz und eine vorsichtige Vorgehensweise ist kein Verlass. Wenn schon die von der Kanzlerin angedachten Sachleistungen, dann für alle Kinder. Die Kinder der Erwerbslosen sind die Opfer der Unvorsicht und der Vorurteile der Erwachsenen. Die kindlichen Mobber reden nach, was Erwachsene ihnen vorreden. Kinder sind Nachahmungskünstler und bis zu einem gewissen Alter oder Reifegrad glauben sie kritiklos, was Erwachsene, Medien und Politik ihnen vorbeten.

Meine Kinder berichten mir ebenfalls solche schulischen Mobbing-Vorkommnisse. Da sie es unfair finden, verteidigen sie die Gepeinigten. Das hat ihnen die Bezeichnung Unterschicht"ler"-Freunde eingebracht. Darauf können sie stolz sein, habe ich ihnen gesagt. Auch hier handelt es sich um keine Schule am "sozialen Brennpunkt". Hier sind alle beteiligten Erwachsenen gefordert einzuschreiten. Das Wort "Hartz-Kinder", das in aller Munde ist, verweigere ich, weil es zu sehr nach "spiele nicht mit den Schmuddel- oder Faulenzerkindern" klingt.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich denke es geht gar nicht um Missbrauch, sondern der Staat will einfach bestimmte Branchen bevorzugen. Wenn ein Bedürftiger Marken bekommt und diese auf ein bestimmtes Produkt oder Prodzuktgruppe beschränkt ist, dann kann der Staat gzeilt die eine Branche fördern und die andere benachteiligen. Unsere Politiker können dann bei Maggi, Kraft, Heinz und Co in Lobbydienste treten und kassieren.
Hier soll der Wähler, jemand der mündig ist, entmündigt werden. Wer sein Geld versaufen will, der wird sich von so blöden Marken nicht abbringen lassen.

Anonym hat gesagt…

Auch in meinem Freundeskreis haben Schüler schon von solchen Hänseleien in ihrer Schule berichtet.
Ebenfalls keine "soziale Brennpunktschule".

Diese Bevormundung ist schlicht skandalös und beschämend für eine vorgeblich freie Gesellschaft.
Es macht mir Angst.

Ich hoffe, daß wir möglichst bald für ein bedingungsloses Grundeinkommen bereit sind.
Dieses wird gewiss nicht die Lösung für alle Herausforderungen dieser Zeit sein.
Dennoch - solche Auswüchse wären passé.

thom hat gesagt…

Für die Situation des Autors(Autorin) ein bemerkenswerter Artikel. Respekt.

Zur Ergänzung:
>aber 7 Millionen Bürger stehen<
- wenn man die Zahl ordentlich bereinigt, dürften dies ca. 10 Millionen sein, möglicherwiese mehr
- Gutscheine sind gerne versteckte Subvention
- den Leherern sei mal Bildungsunterricht verordnet, die Welle als Anfang,das Experiment zum nachdenken, zum Studieren sei Dubé und Guimond,Tajfel & Turnerals auch Taylor und Moghaddam empfohlen
- weiterhin zu empfehlen, mal ein Referat über Edward L. Bernays