Donnerstag, 4. September 2008

Sind Arbeitslose potentielle Betrüger?

Nun sollten wir alle begriffen haben, warum eine Fahndungssendung wie 'Gnadenlos gerecht' ins Leben gerufen wurde und die Boulevardpresse seit Tagen über 'betrügerische' Arbeitslose herzieht: um die berufstätige Bevölkerung gegen sie aufzubringen. Das Schlupfloch nutzen Politiker um härtere Kontrollmaßnahmen zu fordern. Nachdem wir durch die Vorratsdatensicherung alle zu potientiellen Kriminellen gemacht werden, will man die Arbeitslosen zu potentiellen Betrügern machen. Dass es überall schwarze Schafe gibt, ist nicht von der Hand zu weisen.

Arbeitslose müssen bei der Antragstellung die Hosen herunterlassen. Sie müssen ihre Kosten mit schriftlichen Unterlagen belegen, ihre Kontoauszüge vorlegen, ihr Hab und Gut präsentieren, das ihnen, falls vorhanden, angerechnet wird. Bankdaten können eingesehen werden. Die verschiedenen Behörden gleichen alle Daten über eine Person ab.

'Wer zu Unrecht Sozialleistungen bezieht, bestiehlt diejenigen, die wirklich auf Hilfe angewiesen sind, und jeden einzelnen Beitragszahler', sagte Christine Haderthauer.
Dem habe ich entgegenzusetzen, wer zu Unrecht Steuergelder verplempert (z.B. der Flug von Umweltminister Gabriel nach Mallorca) und hinterzieht, betrügt jeden Bürger. Ich erinnere an die letzten großen Steuerhinterziehungs- und Schmiergeldäffaren, die nach dem Bekanntwerden meistens im Sande verliefen, bei denen Beweise verschwinden und geringe Strafen angesetzt werden, wenn es überhaupt zu einem Prozess kommen sollte.

Gerade die Langzeitarbeitlosen sollen verstärkt überprüft werden. Wie soll das von statten gehen? Will man ihre Wohnungen aufsuchen, um zu prüfen, ob die Angaben stimmen? Will man Spitzel auf sie ansetzen, um zu prüfen, ob sie mehr als die erlaubten Euro nebenher verdienen? Falls ja, bekommen dann auch die Firmen eins auf die Finger, die bewusst die schwarzen Schafe eingestellt haben, weil man sie mit weniger Geld abspeisen kann? Eine andere Frage, die sich stellt, wie hoch werden die Kosten für die Kontrollmaßnahmen sein?

Man will auf Pauschalen für das Wohnen und die Mietnebenkosten setzen. Wir sind für Pauschalen für flugbessene Politiker. Ihre Unterkünfte dürfen keine Luxushotels mehr sein, sondern einfache Pensionen.

Die geforderte Anhebung der Regelsätze könnte ein ' negativer Anreiz für die Aufnahme schlechtbezahlter Arbeit' sein und zu einer Kostenerhöhung führen, die man wahrscheinlich nur über Steuererhöhungen decken kann. Das heißt übersetzt, wem man zu viel Geld zahlt, der hat keine Lust sich als 1-Jobber oder von Zeitarbeitsfirmen ausnutzen zu lassen. Das ist eine riesengroße Ausbeutungsbörse von Firmen und Einrichtungen geworden. Eine Steuererhöhung würde die arbeitende Bevölkerung wütend auf die Arbeitslosen machen. Somit sorgt man für mangelnde Solidarität unter der Bevölkerung. Bedacht werden die gestiegenen und weiter steigenden Lebensmittel- und Energiekosten nicht.

Und was ist mit den Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit? Freuen sie sich über die Verzinsung? Da viele Kinder unter der Arbeitslosensituation leiden, darf ich dem Staat Kinderfeindlichkeit unterstellen? Wenigstens den Regelsatz für die Kinder, die oft wegen Geldmangels von vielen Dingen ausgeschlossen sind und einer ungesunden, unzureichenden Ernährung ausgesetzt sind, könnte man anheben. Wenn man sicher gehen will, dass die Zuwendungen wirklich den Kindern zukommen, wie wäre es mit Gutscheinen für Lebensmittelgeschäfte, Buchhändler (für die Schulbücher) und Schreibwarengeschäften (für Schulmaterialien), die nur die Kinder einlösen dürfen?

Herr Steinbrück sagt: "Eine Anhebung könnte das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts gefährden." Welcher ausgeglichene Haushalt? Die BRD ist seit Jahren stark verschuldet. "Wenn wir staatliche Leistungen verteilen, müssen wir auch kontrollieren. Ich verstehe die Aufregung nicht", sagt G. Landsberg. Herr Landsberg, wenn der Staat unsinnig Steuergelder ausgibt, dürfen wir den Staat künftig auch kontrollieren können?

Erfreulich ist, dass die Arge die Arbeitslosen gegen einen Generalverdacht verteidigt. Vielleicht wollen sie auch sich selbst verteidigen, weil evtl. bei der Antragstellung und -prüfung Fehler begangen wurden?! 2006 habe es bundesweit 47.300 Missbrauchsfälle gegeben. Komisch, in einer Schlagzeile der BILD sprang mir eine sechsstellige Zahl entgegen. Gehen wir von einer realistischen Arbeitlosenzahl von ca. 6 Mio. aus, sind 0,78 % der Arbeitslosen Sünder.
Der Satz ist zu unterstützen:
"Statt in Wahlkampfzeiten den Druck auf Bedürftige zu erhöhen, sollte lieber die Schlamperei in der Steuerverwaltung beendet werden"erklärte der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Kurth, in Berlin. Den Forschern der TU Chemnitz empfehle ich zu versuchen, mit 132 Euro im Monat auszukommen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:
http://www.jungewelt.de/2008/09-03/061.phphttp://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=03092008ArtikelPolitikMueller1
http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?Nr=18529
http://www.net-tribune.de/article/030908-29.php
http://www.mdr.de/nachrichten/5741578.html

Laut eines Artikels der Financial Times Deutschland:
Ein Kind würde nach diesen Berechnungen gerade einmal 79 Euro bekommen. "Das ist in etwa der monatliche Bedarf eines Hundes in einem Tierheim."
http://www.ftd.de/politik/deutschland/:Empörung-über-Hartz-IV-Studie-Das-ist-der-Bedarf-eines-Hundes/409981.html

Hier findet man eine Statistik, aus der zu ersehen ist, wo Transferleistungen hinfließen:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,576230,00.html

Zum Vergleich, was unser Verteidigungs-Equipment kostet:
ein Eurofighter kostet 128 Mio. , 180 Stück angeschafft
ein Kampfhubschrauber 'Tiger' kostet 66 Mio. ,80 Stück angeschafft
ein Militär-Airbus A400M kostet 153 Mio.,60 Stück sollen bis 2010 angeschafft werden
ein Schützenpanzer 'Puma' kostet 9,5 Mio. ,410 angeschafft
eine Fregatte F125 kostet 650 Mio. ,4 sollen bis 2014 angeschafft werden
ein Transporthubschrauber NH/MH kostet 42 Mio., 164 wurden angeschafft
Das sind zusammen 50,8 Mrd. Euro
Mitgerechnet sind nicht die Kosten der Auslandseinsätze. Die Zahlen stammen von:
http://www.isw-muenchen.de/

In dem Artikel ist von einer Missbrauchsquote von drei Prozent die Rede:
http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/die-diffamierung-macht-mich-wuetend/

Ein Beispiel, das ich aus real life kenne und das zeigt, wie mit Steuergeldern umgegangen wird. Mister X wird arbeitslos wegen Auftragsmangels seines Arbeitgebers. Er wohnt für 100 Euro bei einem Freund zur Untermiete. Der ARGE genügt der Untermietervertrag, den die Freunde abgeschlossen haben, nicht. Sie wollen das Einverständnis des Vermieters. Der Vermieter will es nicht geben, weil er verärgert ist, dass man ihn nicht um Erlaubnis gefragt hatte. Die ARGE fordert Mister X auf, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Die Einwände von Mister X, dass eine eigene Wohnung viel kostenintensiver sei, schmettert die ARGE ab mit: "Na und, dann ist das eben so." Wegen der Finanzierung der Umzugskosten gibt es keine Probleme. Das ist nur ein Beispiel von vielen.

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