Dienstag, 29. Juli 2008

Chancengleichheit bei der Kinderbildung?

Beschäftigen wir uns damit, ob Kinder aus sozialschwachen Familien von unserem Bildlungssystem benachteilitgt werden. Die Worte 'Unterschicht' und 'Prekariat' benutze ich dabei nicht, weil ich sie sehr abwertend finde. 'In' ist das Wort Unterschichtler geworden, aus dem für mich eine (tiefe) Verachtung spricht. Die abwertende Endung -ler wird bevorzugt von Politikern und Funktionären benutzt. Eine Familie aus der Mittelschicht kann in ein ähnliches soziales Abseits rutschen durch plötzliche Arbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall, Scheidung. Auch Selbständige sind davor nicht geschützt, denn wer arbeitslos wird, muss erst sein erarbeites angespartes Vermögen verbrauchen, bevor er Unterstützung bekommt. Der Weg ins soziale Abseits kann sehr schnell gehen, gerade bei den ständig steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen.

In Kindergärten und Kindertagesstätten wird geobachtet, dass das Sprachvermögen von Kleinkindern ab 3 Jahren, häufig nicht der Normentwicklung entspricht. Wir brauchen nicht mit den Fingern auf Migrantenkinder zu zeigen, dieses 'Phänom' betrifft immer mehr deutsche Kinder. Ob die Ursachen verstärkter PC-, TV-Konsum sind, mit den Kindern wenig gesprochen oder wenig vorgelesen wird, vermag der Einzelfall zu entscheiden. Im KiGa oder in einer KiTa fallen solche Entwicklungsdefizite auf. Jede gute Erzieherin wird darauf aufmerksam machen und zu Förderung, bzw. die Kinder zum Sprechen anregen. Was ist mit Kindern, die nicht in diese Einrichtungen gehen und denen die Anregung fehlt? Wer als Arbeitsloser sein Kind in den KiGa schickt, wird leistungsgekürzt, weil das Kind dort Nahrung erhält. Es fallen Gebühren an. Habe ich keinen KiGa-Platz, sind meine Chancen auf Arbeitsausübung und -findung geringer. In einigen Bundesländern wird die KiGa-Gebühr nach Einkommen berechnet. Bleiben die sprachlich schwachen Kinder wg. finanzieller Probleme den Einrichtungen fern, entsteht das nächste Problem bei der Einschulung.

Einem Sprachtest mit folgender Förderung vor Einschulung, sollte man sich nicht mehr entgegenstellen, sonst übernehmen die Grundschulen das Problem. Nicht ohne Grund sind die Förderkurse LRS (Lese-Rechtschreib-Schwäche) voll belegt. Wer die Sprache nicht beherrscht, bekommt ein Lese-Rechtschreibproblem. Sozialschwache können sich kaum einen Nachhilfelehrer oder ein Förderinstitut leisten. Wenn sich dieses Sprachproblem durch die ganze Grundschulzeit zieht, sind die Chancen auf eine weiterführende Schule gering und es bleibt die Haupt- oder Gesamtschule. Haupt- und Gesamtschüler haben wenig Chancen auf einen Ausbildungsplatz, weil in fast allen Fachbereichen für Lehrstellen das gymnasiale Abitur verlangt wird. Ihnen bleiben die Hilfsarbeiter- oder Billiglohnjobs. Ein Kind mit LRS ist nicht unbedingt unbegabt. Sie haben oft andere Fähigkeiten, auf die nicht eingegangen wird oder werden kann. In der Grundschule gibt es Kinder, die die Schule als zu langweilig empfinden. Sie verweigern die Leistung. Man nennt sie Underarchiever. Schaffen sie es, trotz schlechterer Noten aufs Gymnasium, blühen sie häufig auf und sind besser, als die Grundschüler, die einen guten Notenschnitt hatten. Die, mit den guten Grundschuldnoten, sind im Gymnasium oft überfordert und halten dem Leistungsdruck nicht stand. Grundschuldnoten sagen nicht unbedingt etwas aus. Zur Notenvergabe empfehlenswert: 'Die ungerechte Aufsatzzensur' von Gottfried Schröter.

Bei der Verteilung der Plätze auf die weiterführenden Schulen gibt es unterschiedliche Praktiken. Zuerst muss man die Gymnasialempfehlung bekommen und sie wird oft subjektiv erteilt. Hat man sie von der 'Lehrergnaden' bekommen, wird bei den meisten Schulen auf den Notenschnitt geachtet und danach verteilt. Wer in den sprachlich ausgerichteten Fächern und in Mathematik schlechte Noten hat, hat schlechte Karten. Geschwisterkinder werden bevorzugt behandelt. Danach erfolgt ein Auslosungsverfahren nach unterschiedlichen Kritierien. Jede Schule entscheidet das Auslosungsverfahren selber. Das berühmte 'Vitamin B' und Spenden spielen häufig dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Ich kann aus Beobachtungen berichten, dass Kinder mit einem besseren Notenschnitt aus sozialschwachen Familien benachteiligt wurden, während Kinder mit einem schlechteren Notenschnitt aus sozialstärkeren Familien bevorzugt wurden und genau das darf nicht sein. Politiker benutzen die Begriffe 'bildungsnah' und 'bildungsfern'. Es gibt Kinder aus sozialschwachen Familien, die bildungsnäher sind, als Kinder aus sozialstarken Familien. Oder soll ich es besser nennen, Kinder deren Eltern etwas zu bieten haben, werden bevorzugt behandelt? Neuerdings erwägt man, ab Sekundarstufe II Schulgebühren einzuführen. Wer sie sich nicht leisten kann, darf mit Mittlerer Reife die Schule verlassen = keine Lehrstelle, keine Aussicht auf ein Studium. Kinder von Sozialschwachen (Hartz-IV-Kinder oder Kinder von Niedrigstverdienern, die zusätzlich Hartz-IV bekommen), die sich durch Ferienjobs etwas dazu verdienen wollen, denen wird ihr Verdienst auf die Bedarfsgemeinschaft angerechnet. Wir hatten in einem anderen Beitrag darüber geschrieben.

Wer es dennoch bis zum Studium schafft, der wird vor das Problem Studiengebühren, Lehrmittelbeschaffung, Unterkunftsbezahlung, Bestreitung des Lebensunterhaltes gestellt, insbesondere, wenn man von der ZVS in eine entfernte Stadt umgeleitet wird. Ich habe meine eigenen Beobachtungen geschrieben bzw. wiedergegeben, was mir Eltern, Erzieher und Lehrkräfte aus Erfahrung erzählten.
Mit alle dem, Ursachen, den Folgen für das Studium und mit der Frage der Menschenrechtsverletzungen, beschäftigt sich ausführlich dieser Link:

http://www.fzs.de/kampagne/un_sozialpakt/77093.html

Die Berater der Politiker in Sachen Bildung sind die Mitglieder der Bertelsmann-Stiftung. Den Sozialschwachen wird verstärkt der (Bildungs)hahn abgedreht.

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