Montag, 8. Dezember 2008

Die Rattenfänger des TV

oder vom Tellerwäscher zum Millionär oder Hurra, wir verblöden?
'Deutschland sucht den Superstar' sucht bald wieder den 'Superstar'. Am 21. Januar geht es weiter mit der nächsten Staffel und es haben sich noch nie so viel Teilnehmer wie jetzt gemeldet. Herzzerreißend hat die 'Deutsche Telekom' den Werbespot mit Paul Potts in Szene gesetzt. Da wird den meisten Menschen warm ums Herz: vom Handyverkäufer zum Opernstar. Wir gönnen dem Mann seinen Erfolg.

'Der Junge mit der Mundharmonika' hat beim letzten Mal bei uns gewonnen: ein Hartz-IV-Empfänger, der sein Schicksal gemeistert hat. Wir gönnen auch ihm den Sieg. Meistens melden sich sehr viele junge Menschen bei den Talentshows und machen sich zum Affen, aber wir durften erleben, dass es nun ebenfalls vom Schicksal gebeutelte 'ältere' Semester, die nicht den gängigen Schönheitsvorstellungen entsprechen, schaffen können. Wir hoffen, das Gros der TV-Zuschauer hatte die Packung Tempos griffbereit.

Gestern kamen die sagenumwobenen Jahresrückblicke von ZDF und RTL. Die o.g. Superstargewinner waren dabei und aufstrebende junge SportlerInnen, die es geschafft haben neben den 'Verlierern' des Jahres. Was sagt uns das? Jeder, der etwas kann oder hat -und wenn es nur ein Jodeldiplom ist- und der zu Leistung bereit ist, kann es bis ganz nach oben schaffen und braucht nicht am Tropf der 'sozialen Hängematte' oder im Sumpf des Handyverkäuftertums zu verharren. Die Vorzeigecomedians durften nicht fehlen. In den Jahresrückblicken fehlten die wirklich wichtigen Ereignisse des Jahres 2008. Wen interessiert das schon? Man kann alles schaffen, wenn man will, war die Botschaft. Dumm nur, wenn man keine Opernstimme hat und nicht Mundharmonika spielen kann oder der Jury wegen des Mangels der Verkaufsträchtigkeit nicht in den Kram passt.

Zudem leben die Sender von den enormen Einschaltquoten, den Marktanteilen, den Werbeeinahmen und den fleißigen Anrufern, die mit ihrem Wunschkandidaten fiebern. Manche sollen mehrmals anrufen und merken erst hinterher an der Rechnung, dass die Kosten von ihrer Flatrate nicht aufgefangen werden.

In letzter Zeit kam ich mir fast wie eine völlige Idiotin vor, weil ich nichts über Bauer Heinrich wusste. Der Mann ist in aller Munde. Wo man geht und steht wird über 'Bauer sucht Frau', Hirte und Potts geredet. Im Supermarkt und in den Öffentlichen laufe ich Gefahr unter Verfolgungswahn zu leiden und wenn ich unschuldig doof tuend frage, wer das ist, kommt die Antwort: "Das wissen sie nicht?"Als ob es nichts wichtigeres gäbe. Im TV gibt es fast nur noch Soaps oder irgendwelche unsinnigen Shows.

Noch nie habe ich wegen des Inhaltes so über einen SPON-Artikel gelacht. Das schafft sonst nur 'Der Zwiebelfisch' beim SPON. Ich distanziere mich allerdings von dem unpassenden Wort 'Prekariatspopper' :
"Oberflächlich betrachtet war 2008 ein sehr schönes und sehr gerechtes Jahr. Die Finanzkrise ließ alle Menschen zu in Armut vereinten Brüdern und Schwestern werden. Ein kleiner fülliger Engländer sang die Hymne der Herzen. Zuvor öffentlich eher stiefmütterlich behandelte Sexualspielarten wurden dank eines Bestseller-Romans einer TV-Moderatorin auf einmal zum Gesprächsthema bei Betriebsfesten und Bowlingabenden. So jedenfalls lautet die Grunderkenntnis, die am Sonntagabend derjenige erlangen musste, der zwischen den Jahresrückblicken von ZDF und RTL hin und her schaltete."
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,594951,00.html

"Köln (ddp). Die neue Staffel der RTL-Castingshow «Deutschland sucht den Superstar» («DSDS») geht mit einer Rekordbewerberzahl an den Start. 31 098 Kandidaten bewarben sich für die sechste Runde, wie der Sender am Montag in Köln mitteilte. "
http://www.dernewsticker.de/news.php?id=67796

Die Hoffnung stirbt zuletzt und wenn es gar nicht mehr weiter geht, hilft uns das TV oder der Bürger dem TV. So wäre es richtig herum betrachtet. Solche Sendungen kann man getrost nach wenigen Minuten abschalten. Man hat nichts verpasst. Mir dienen sie manchmal als kritisches Anschauungsmaterial für meine 'Brut', damit sie lernen, entsprechend damit umzugehen. Ansonsten braucht man sie nicht zu verfolgen. Man hört es überall und ist im Bilde, ob man will oder nicht.

Ich war schon früher der Außenseiter, weil ich 'Dallas' und 'Denver' verweigert habe. Dank meiner KollegInnen wurde ich auf dem neusten Stand gehalten und sie haben ernsthaft über die Figuren und ihr Schicksal diskutiert, als ob es real sei. Ich habe beschlossen diesbezüglich 'dumm' zu sterben.

© 2008 Copyright Kinder-Alarm Schwalbe 8.12. 2008

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