Dienstag, 2. November 2010

100 Tage nach der Loveparade

Gestern haben wir uns mit einigen Menschen am Unglücksort getroffen, um zu Allerheiligen an die Toten, ihre Angehörigen, ihre Freunde, die Verletzten und die Traumatisierten zu denken. Unser Mitgefühl gilt natürlich auch den EinsatzpolizistInnen, den Rettungskräften und OrdnerInnen, die ebenfalls pysisch oder psychisch gelitten haben. Medien waren vor Ort. Da wir bisher keinen Bericht darüber finden konnten, berichten wir ein wenig.

Ich war nach der Loveparade das erste Mal am Ort des Geschehens. Es war ein komisches Gefühl durch den Tunnel zu müssen. Gemischte Gefühle verschiedener Art. Die Erinnerungen wurden wieder wacher. Die Zugangsrampe kam mir wesentlich schmaler, enger und erdrückender vor als bei der Loveparade. Vor der Treppe ist ein eingezäunter Bereich mit den Fotos der Toten, Blumen, vielen Kerzen. An der Wand hängt eine Gedenktafel für die 21 Toten. Bei dem Anblick muss man schlucken. Wir haben viele Kerzen aufgestellt, angezündet, frische Blumen und Gestecke dazu gestellt und uns leise ausgetauscht.

Es hilft, mit anderen LP-Besuchern zu sprechen, um die eigenen Erlebnisse und Empfindungen zu erzählen und sich zu öffnen. Ich habe mit einem Mann gesprochen, der zwei Freunde dort verlor. Viel konnte er nicht sprechen. Er war zu bewegt und so traurig mit Tränen in den Augen. Zwei Autos mit Essener Kennzeichen kamen. Vermutlich waren es die Angehörigen des toten Mädchens aus Essen. Wir wollten sie in ihrer Trauer nicht stören.

Wir bedanken uns bei den beiden dezenten Polizisten, die meist in ihrem Streifenwagen blieben. Sie hätten sich ruhig zu uns gesellen können. Wir hegen keinen Groll gegen die Einsatzpolizei (der Loveparade), sondern z.B. gegen die Vier hier. Der 1. Teil der Pressekonferenz vom 25.7.2010:



Nach allem, was danach geschah, können wir ihnen das Entsetzen und die Betroffenheit nicht mehr glauben. Es fehlen noch der Sponsor Mcfit, Herr Pleitgen von der Kulturhauptstadt 2010 und die Landespolitiker. Niemand von ihnen will die Verantwortung übernehmen. Nach anfänglichen Beteuerungen und späteren gegenseitigen Schuldzuweisungen sind sie schnell abgetaucht, um genau das tun zu wollen: Rabe will nach Loveparade zurück zur Tagesordnung

Wenige Minuten nach dem Drama:


Viele Duisburger und andere Betroffene werden nicht ruhen, bis sie sich alle ihrer Verantwortung stellen. Man wird noch träumen dürfen. Wenn ich selbständig bin und einer meiner Mitarbeiter Murks macht, habe ich die Hauptverantwortung. Wenn ich die politische Verantwortung für eine Stadt übernehme, habe ich die Hauptverantwortung. Der Vorschlag war ca. acht Monate vorher die A59 zu sperren. Nein, doch nicht für so eine Veranstaltung. Und wie war das bei der A40?!

Es gibt Infos, dass die PolzistInnen an der Treppe unten die Treppe sichern sollten, damit niemand darüber flüchten kann. Sie scheinen sich dem Befehl widersetzt zu haben oder dem Druck nicht mehr Stand gehalten haben zu können. Es gibt das Redemonstrationrecht. Es gibt die Möglichkeit der Befehlsverweigerung, wenn ein Befehl gegen Gesetze, Ethik oder Moral verstößt. Vieles haben wir erst später erfahren, gesehen, gehört, gelesen, um es zu begreifen.
Das ist ein Puzzle aus vielen Teilen. Ich grüße die "Bullis". Dem ein oder anderen haben wir unsere körperliche Unversehrheit zu verdanken. Danke!

Nachtrag: der WDR hat berichtet. Bitte auf Kompakt klicken.
http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/rueckschau/lokalzeit_duisburg.xml

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