Freitag, 6. November 2009

Ihr Kind hat was getan?

Haben Sie es als Elternteil erlebt, wenn Ihr Kind vor das Tribunal geführt werden soll? Es hat angeblich was angestellt?! Mit Papierkügelchen geschossen? Widersprochen? Andere getrietzt? Vor Ihnen sitzen Lehrkräfte, ob mit oder ohne pädagogischer Ausbildung, Psychologen, Schulleiter und das kleine Wesen ist der Angeklagte. Sie wissen alles besser und behaupten Ihr Kind einschätzen zu können. Ohne Hemmungen erzählen sie im Beisein des Kindes, was das Kind angeblich Schlimmes angestellt haben soll. Ein Wunder, dass es noch kein Büßerhemd anhat.

Da ich das meist vorher wusste, habe ich mir in vielen Fällen -ob meine oder andere Kinder- die Zeit genommen und den rasenden Reporter gespielt, um herauszufinden, was sich wirklich abspielte. Es hat mich in Zeit- und Terminschwierigkeiten gebracht. Mir war es wichtig. Das sah aber dumm aus für die Anklagebank, wenn man ihnen das Gegenbeweismaterial unter die Nase hielt und Zeugen etwas anderes aussagten. Oft ist der angebliche Täter das Opfer. Wenn wir die Kinder nicht schützen vor unhaltbaren Anschuldigungen, vor Mobbing- und Hetzversuchen, wer dann?




Ich erinnere mich an einen kleinen chinesischen Jungen, der nach Deutschland kam. Er konnte kaum die Sprache und hat sie erstaunlich schnell gelernt. Kinder hänselten ihn, schubsten ihn und bezeichneten ihn als Schlitzauge. Meine Kinder und ihre Freunde haben ihn verteidigt, sich vor ihn gestellt und jedesmal gesagt, das sind keine Schlitzaugen, sondern Mandelaugen. Der kleine Chinese hat geschwiegen, gelächelt und den ihn beschützenden Kindern einiges an Kungfu beigebracht. Körpersprache. Sie haben ihn Deutsch gelehrt. Er hat später erzählt, dass die Kinder in China ab drei Jahren Selbstverteidigung lernen.

Nach drei Monaten geschah folgende Szene: die großen "mutigen" Jungs wollten sich mit mehreren den kleinen Chinesen vorknöpfen. Er und seine Beschützer haben ihnen gezeigt, was sie an Geschwindigkeit und Verteidigungstechnik beherrschen. Die Jungs landeten mit wenigen gekonnten Griffen in den Bäumen und im Klettergerüst. Wir Eltern bekamen einen empörten Anruf der Schulleitung und der Eltern der baumelnden Jungs. Die ganze Geschichte kannten sie noch nicht. Ich konnte mich vor lachen kaum halten. Das war schnell geklärt. Nie mehr wieder hat jemand den kleinen Kungfu-Fighter, der jetzt größer ist als ich und akzentfrei Deutsch spricht, angegriffen.

Die "Kungfus" oder "Robin Hoods" haben es sich danach zur Aufgabe gemacht auf dem Schulhof für Ordnung zu sorgen. Wer gehänselt oder angegriffen wurde, kam in den Genuss ihrer Unterstützung. Sie brauchten nur die Verteidigungsposition einzunehmen. So viel Respekt hatte sich bis dato keine Schulhofaufsicht verschafft. Sie schauen meist weg und hören nichts. Ihr Einsatz wurde wohlwollend vom Rektorat und den Lehrkräften akzeptiert. Sie konnten in Ruhe ihren Kaffee trinken.



Mein vor mir geborener Bruder ist mit mir in die 1. Klasse gegangen. Er hatte eine "Ehrenrunde" gedreht bzw. wurde wegen seiner Krankheit zurückgestellt. Er war fast das ganze Schuljahr krank. Sehr krank. Ich ging mit ihm Hand in Hand und war froh, dass diese Nervensäge wieder halbwegs gesund war. Einige Kinder fingen an ihn zu hänseln, betitelten ihn als Sitzenbleiber und schubsten ihn herum. Sie durften mit uns Bekanntschaft machen. Er war so geschwächt. Er konnte sich nicht wehren. Das haben wir Geschwister und die Clique übernommen. Der Zusammenhalt war selbstverständlich da.

Kinder können sehr solidarisch sein, wenn man es ihnen beigebracht hat oder sie von selber darauf kommen. Warum tun Erwachsene das nicht?

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