Mittwoch, 2. September 2009

Ein etwas anderer Busfahrer

Mit Beginn des neuen Schuljahres haben die Kinder einen neuen Busfahrer. Seine Begrüßungen variieren: "Guten Morgen Kinder, ich bringe euch jetzt sicher an den Ort des Schreckens. Dafür erwarte ich, dass ihr mir den Bus nicht bekrümelt oder bekleckert. Falls doch fahre ich einen Umweg und zeige euch den wahren Ort des Schreckens: die ARGE. Ich kann aber auch die Militärkaserne ansteuern."

"Ausgeschlafen ihr Bande oder abgebrochen?" "Wieso hast du Augenringe? Hast du die halbe Nacht am Computer oder vor dem Verblödungsfernsehen verbracht? Wenn eure Mutter euch ins Bett schickt, solltet ihr auf sie hören. Mütter sind die wahren Helden der Menschheit. Väter brauchen regelmäßig einen Tritt in den Hintern. Sie könnten das Gleiche leisten wie die Mütter, wenn man sie ließe und sie es sich zutrauen würden. Falls ich hören sollte, dass hier jemand über ein Hartz-Kind herzieht, mache ich denjenigen frisch. Ich habe selber Hartz-IV bezogen. Ich habe jahrelang gearbeitet und meine Arbeit verloren. Gedankt hat mir das keiner. Ich weiß, wie erniedrigend das ist. Jetzt ist mein Job euch Kinder zu kutschieren."

Aus der Busfahrt macht er eine Sightseeingtour: "Links seht ihr.... , aber da geht ihr besser nicht hin. Rechts ist die Behörde x. Behörden solltet ihr meiden wie die Pest. Die Straße runter ist ein schnuckeliges Lokal. Für die Oberstufenschüler: da könnt ihr mit eurer Holden preiswert essen gehen. Wir steuern jetzt den Hauptbahnhof an. Von dort könnt ihr mit allen Bussen, Bahnen und Zügen überall hinfahren. Ihr bleibt hier drinnen, weil ich euch in die Schule zu bringen habe. Ahh, da ist das Einkaufszentrum. Da könnt ihr nicht kaufen, was im Leben wichtig ist."

Zwischendurch erzählt er Anekdoten und Schülerstreiche aus seiner Schulzeit. Oder: "Vorwarnung, ich fahre gleich eine scharfe Linkskurve und den coolen Jungs hinten empfehle ich sich zu setzen oder sich wenigstens festzuhalten. Sonst seht ihr gar nicht mehr cool aus. Are you ready, attention, go."

Kurz vor dem Ziel: "Wir sind gleich da und ich wünsche euch viel Spaß beim Lehrer ärgern, aber übertreibt es nicht. Sie haben dieses bekloppte Bildungssystem nicht geschaffen, aber zwischendurch könnten sie mal ihren Mund aufmachen. Wenn ihr Glück habt und je nachdem, wann ihr Schulschluss habt, hole ich euch wieder ab. Wenn ihr Pech habt, müsst ihr euch mit einem meiner übel gelaunten Kollegen begnügen".

Die Kinder amüsieren sich köstlich und sie überdenken seine Worte. Sie halten sich an seine Anweisungen. Der Mann müsste eigentlich eine Sonderzulage für seinen Unterhaltungs- und "Erziehungs"wert bekommen. Die trödeligsten Kinder beeilen sich, um den Bus mit ihm zu erhaschen.

Aufgeschrieben nach den begeisterten Erzählungen der Kinder. Sie wollten, dass ich es schreibe und sie möchten den Erwachsenen etwas mitteilen. Erkannt, was sie wollen?

2 Kommentare:

Wolf-Dieter hat gesagt…

Bin begeistert von dem Fahrer. Gibt es ihn wirklich? Ich bin sicher, dass ja.

Denn das hab ich gelernt im Leben: möglich ist alles.

Brigitte hat gesagt…

Ja, sicher. Wir halten doch hier keine Märchenstunde ab :-)
An den Schulen gibt es mittlerweile reichlich arbeitslose Lehrkräfte, die als 1-Eurojobber eingesetzt werden. Sie werden konfrontiert mit Kindern, die von der Medien- und Politikerhetze angesteckt wurden oder durch Erwachsene, die das nachplappern wg. Erwerbslosenhetze. Sie erklären ihnen wie das ist, wenn man trotz fundierter Ausbildung keine Arbeit bekommt, zur ARGE gehen muss, zwangseingesetzt wird. Das ist klasse, wie sie das machen.....