Im April 2009 stellten wir den Bericht eines Mittvierzigers ein. Er beschreibt wie er krank, schwerbehindert und arbeitslos wurde.
Anfangen möchte ich mit dem Tag, an dem sich mein Leben drastisch änderte.
Es war ein ganz normaler Morgen. Der Wecker ging früh, da ich im Getränkemarkt die Frühschicht hatte. Ich stand auf und dachte: komisch dir tut der linke Arm so weh. Erstmal musste ich wach werden und auf die Toilette. Da sitzend, betrachte ich mir meinen Arm und dachte: sehr merkwürdiger blauer Streifen an meinem Arm. Da wurde ich schockartig wach. Blutvergiftung ?? Ja klar. Ich hatte mir am Vortag einen Splitter in den Daumen gehauen.
Na gut, sieht ja noch nicht schlimm aus, also erstmal zur Arbeit und Bescheid sagen, was los ist. Ich begab mich zu meinen Schwiegereltern, um zu warten bis mein Hausarzt aufmacht. Ich bekam ein gutes Frühstück von meinen (Ex)-Schwiegereltern. Leider bekam ich es. Ich fuhr zu meinem Hausarzt. Er sagte, dass sei ein BG–Fall den er nicht behandeln darf und ich fuhr mit meinem Schwiegervater nach Kiel zum Arzt. Er kommt nach 30 Minuten Wartezeit und will anfangen. Als er hört BG, sagt er, das dürfe er nicht und ich solle in die Uniklinik Kiel gehen. Sie dürfen das. Hier geht es weiter mit seiner Ausgangsgeschichte.
So ging es danach für ihn weiter:
Na gut, fange ich mal wieder an. Inzwischen ist fast ein Dreivierteljahr vergangen. Die Klage gegen die ARGE wegen der Renovierung ist immer noch nicht entschieden; auch mit der Klage wegen des Mehrbedarfes bin ich noch nicht ein Stück weiter. Aber mein Anwältin ist da immer noch dran. Es gab deswegen jede Menge zu regeln. Den Grund dafür werdet Ihr noch erfahren.
Nachdem der komische Arzt der RV versucht hatte mich mit dummen Bemerkungen fertig zu machen, habe ich fast aufgegeben. Hätte mir meine Freundin nicht in den Hintern getreten, hätte ich wohl auch schon aufgegeben. Mit Hilfe meiner Freundin, die dem Typ vom Sozialverband erzählt hat, was er in den Widerspruch schreiben soll, hat sich wirklich viel getan.
Fange ich mal damit an, dass es bei mir im Dorf echt kriminell wurde. Nachdem ich Zettel gegen Hartz IV an den öffentlichen Aushang gehängt hatte, musste ich mir Sprüche anhören wie: „Versuch es mal mit Arbeit du asoziales, sozialschmarotzendes Ar.......". Wirklich nett, was sich so an Clowns auf den Dörfern rumtreibt. So wirklich hat mich das nicht berührt.
Um irgendetwas zu bewegen, bin ich dann Mitglied der Piratenpartei geworden. Da mir andere Parteien nicht zugesagt haben, nachdem ich mich wochenlang informiert hatte, habe ich mich dann entschieden für die Piraten zu kandidieren. Aber auch das erwies sich als nicht so einfach. Mal eben 50 Unterschriften zusammenzukriegen und das in diesem CDU-verseuchten Kreis, erwies sich als Flop. Aufgeben ist immer noch nicht, aber jetzt war ich als Pirat im Dorf völlig unten durch und durfte mir jede Menge blöder Blicke gefallen lassen. Auch das war mir so ziemlich egal.
Der Höhepunkt wurde erreicht, als ich dem Besuch meiner Nachbarn einen Zettel ans Auto gehängt hatte, weil die ihren Wagen so parkten, dass meine Lebensgefährtin ihren Wagen nicht mehr auf den Stellplatz stellen konnte, der normal noch frei gewesen wäre. Parken will eben gelernt sein. Naja und 2 von 4 Stellplätzen hätten mir zugestanden. Die hab ich ja auch mit der Miete bezahlt. Mit einem lustigen Spruch bat ich den Besuch darum den Wagen so zu parken, dass auch noch ein vierter Wagen dort abgestellt werden kann.
Als Antwort hatte ich 2 Tage später einen Zettel im Briefkasten auf dem stand: „Sozialschmarotzer wie Sie sollte man, wie Sondermüll, möglichst umweltfreundlich entsorgen“. Nun ich dachte ich bin ja ein harter Kerl. So ein Spruch macht mich nicht fertig. Doch irgendwie setzte mir das Leben die Pappnase auf. Nach 4 Tagen rief ich meine Lebensgefährtin und sagte nur: „Hol mich hier raus, ich geh hier kaputt“.
Klar machte meine Lebensgefährtin das. Irgendwann war mir klar: nach Bothkamp gehst du nicht mehr zurück. Also sagte ich zu meiner Freundin: "Lass uns zuisammenziehen. Wir müssen darüber reden, weil ich ALG2 bekomme". "Egal", sagte meine Freundin, "das kriegen wir hin. Krankenversicherung zahle ich für dich, wenn wir zusammenziehen. Alles andere wird schon werden".
Bei unserem Glück war innerhalb von 2 Tagen eine Wohnung ausfindig gemacht, die Luflinie und auch fußwegmässig keine 100 Meter von der alten Wohnung meiner Freundin entfernt war. Groß genug für 2 Erwachsene und einen 16jährigen Jungen. Also Mietvertrag unterschrieben und auch die Kündigungen für unsere alten Wohnungen. Mein Vermieter fiel fast aus allen Wolken. Er hatte aber schon mitbekommen, dass ich nur noch zweimal die Woche nach Bothkamp kam, um nach der Post zu sehen. Als ich ihm den netten Zettel zeigte, von wegen Sozialschmarotzer und Sondermüll kam zwar nicht viel, aber was kam war eindeutig erkennbar. Völliges Entsetzen.
Nun ging es los, dass ich anfing meine alte Wohnung aufzuräumen und Sachen wegzuschmeissen ohne Ende. Es hieß Kartons packen und Dinge sortieren. Das ist für den Müll und das und das und das könnte mit. Irgendwie quälte mich aber der Gedanke, dass meine Lebensgefährtin jetzt komplett für mich mit aufkommen sollte und ich mit meiner Schwerbehinderung nichts zu unserem Leben dazu tun konnte. Wer jetzt glaubt das ist echter Mist, der glaubt nicht, was jetzt geschah.
Als wir irgendwann im Dezember wieder in Bothkamp waren zum aufräumen und packen, schaute ich in den Briefkasten. Da der Schlüssel für den Briefkasten irgendwie verschwunden war, griff ich mit der Hand durch den engen Schlitz und hielt einen Brief der ARGE in der Hand. Ich also rein in die Wohnung, Brief aufgemacht und lese nur Aufhebungsbescheid. Mir kamen vor Wut die Tränen. Meiner erster Gedanke war „Scheiße da hatt dich irgendwer verpetzt bei der ARGE", weil ich inzwischen schon fast 2 Monate bei meiner Freundin wohnte. Ich gab den Brief an meine Freundin und sagte: " Les weiter, ich kann nicht". Meine Freundin sagte nur mit Grinsen im Gesicht: „Geh zum Briefkasten da muß noch ein Brief drin sein".
Okay. Ich zum Briefkasten mit nem Schraubenzieher und habe ihn aufgebrochen. Und darin war tatsächlich der Rentenbescheid von der RV. Volle Erwerbsunfähigkeit bescheinigt bis zum 67. Lebensjahr. Jetzt kamen wieder die Tränen, aber diesmal vor Freude. Auf ganz wunderbare Weise erledigte sich wieder ein Problem. Ich liege meiner Freundin nicht auf der Tasche. Und das Beste: ich bin weg von der ARGE, die dürfen mich mal und ganz viel anderes.
So ganz konnte ich dann aber Weihnachten nicht geniessen. Leider musste ich meinen Rüden ins Tierheim bringen und das 2 Wochen vor Weihnachten. Leider biss er zum wiederholten Male ohne Grund und ohne Vorwarnung zu. Leider wurde er richtig gefährlich. Da ich wirklich litt und nicht nur ich, sondern auch die Hündin meiner Freundin, kam dann doch noch wieder ein kleiner Welpe zu uns. Diesmal aber nicht aus dem Tierheim. Jetzt hab ich einen kleinen Havaneserjungen der absolut lieb ist, unsere Hündin ist auch wieder glücklich.
Wir wohnen in der neuen Wohnung und haben reichlich Platz und ich kann wirklich nur sagen: „Das Leben ist schön“. Ich bin glücklich mit meiner kleinen Familie, bekomme endlich Rente, meine alte Wohnung bin ich seit dem 05.01.2010 los und ich habe mit dem Dorf voller I...... abgeschlossen. Ich habe neue Bekanntschaften und Freunde hier in Plön gefunden. Kann es besser laufen?
Kann es Zufall sein, dass soviel Gutes zum richtigem Zeitpunkt passiert ??? Ich glaube ja.
Kommentar: Das ist eine positive Nachricht zum neuen Jahr. Sie zeigt uns auf, dass man nicht so schnell aufgeben sollte und am Ende des Tunnels immer wieder Lichter erscheinen. Wenn alle Leute so zusammenhalten würden, wie diese beiden Liebenden, hätte die Welt ein paar Probleme weniger. Wir wünschen der Familie alles Gute für die Zukunft.
Manche Leute sollten zuerst ihr Gehirn einschalten, bevor sie den Mund aufmachen. Mir ist bekannt, dass auch bei den Tafeln die Leute, die in der Schlange stehen, von den "lieben" Mitmenschen beschimpft werden.
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