Dienstag, 1. Dezember 2009

Pressemitteilung vom Whistleblower-Netzwerk e.V. wg. Pharmaindustrie

Whistleblower (die Pfeife blasen, Alarm schlagen) gelten als Petzen, Verräter, Denunzianten, Nestbeschmutzer. Was sie tun, nennen wir Zivilcourage. Es sind i.d.R. Beamte und Angestellte aus (Regierungs)behörden, Justiz, Stadtverwaltungen und Unternehmen, die anfangen zu "plaudern" z. B. über Betrug, Straftaten, begangenes Unrecht. Sie gehen ein Risiko ein, denn sie riskieren damit ihre Existenz. Rechtlich sind sie in Deutschland kaum geschützt, wenn sie auf Dinge aufmerksam machen, die die Öffentlichkeit nicht erfahren soll. Juristisch wirft man ihnen Verstöße gegen das Betriebs- oder Dienstgeheimnis vor. In anderen Ländern werden Whistleblower juristisch geschützt. In unserem "Rechtsstaat" sind sie eher Druck, Schikanen, Drangsalierungen und Existenzverlust ausgesetzt. Sie brauchen unsere Unterstützung. Ohne sie würden wir einige Dinge nicht erfahren. Sie folgen ihrem Gewissen wie die Steuerfahnder in Hessen, die man wg. angeblich "psychisch querulatorischer Störungen" dienstuntauglich erklärte.

Whistleblower-Netzwerk e.V. Pressemitteilung vom 01.12.2009:
"Mehr Transparenz in der Pharmaindustrie ist überfällig!
Stärkung eines unabhängigen IQWiG und mehr Transparenz in der Pharmaindustrie sind die Forderungen des Whistleblower-Netzwerks in einem Schreiben an Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler. Ein wesentliches Instrument hierfür könnte die Schaffung eines speziellen gesetzlichen Whistleblowerschutzes für Insider aus dem Pharma- und Medizinberich sein.

Für etwas mehr Transparenz sorgt seit 2004 auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das den tatsächlichen Nutzen von Medikamenten untersucht. Aber das IQWiG hat derzeit noch nicht die Instrumente, die es braucht, um wirksame Kontrolle flächendeckend ausüben zu können. Wie spiegel online am 25. November berichtete*, behindere zum Beispiel der Pharmakonzern Pfizer seine Arbeit. Das Muster: Negative Ergebnisse von Medikamentenuntersuchungen der Pharmaunternehmen werden aus Kostengründen verschwiegen und Studiendaten unter Verschluss gehalten. Den Schaden haben die Patienten und das Gesundheitswesen, dem die Kosten für falsche Behandlung und Folgekrankheiten aufgebürdet sind.

Whistleblower-Netzwerk e.V. unterstützt die Forderung des IQWiG nach einer effektiven EU-weiten Verpflichtung zur Veröffentlichung der Ergebnisse aller klinischen Studien sowie das Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie**. Das Memorandum stellt sich dieser strukturellen Korruption im Gesundheitswesen sowie dem biologischen Reduktionismus in der Psychiatrie entgegen und fordert Transparenzregeln bei der Offenlegung von Interessenkonflikten zwischen Medizin und Pharmaindustrie.

Darüber hinaus sollten nach Meinung des Whistleblower-Netzwerks Pharmainsider, die auf Verstöße gegen jene neuen Transparenzregelungen oder andere Gesetzesverstöße und unethisches Verhalten der Pharmaindustrie hinweisen, in Zukunft einen unabhängigen Ansprechpartner haben. „Wir brauchen dringend eine unabhängige Institution, die Hinweise entgegennimmt, notwendige Ermittlungen durchführt und für wirksame Sanktionen von Gesetzesbrüchen sorgen kann. Whistleblower, also Insider, die entsprechende Hinweise abgeben, müssen geschützt werden“, heißt es in dem Schreiben an Bundesminister Rösler. Vorbild könnte dabei die USA sein, wo Pfizer vor kurzem – wegen Verschweigens schwerer Nebenwirkungen eines Anti-Psychotikums für Demenz-Patienten – aufgrund des Hinweises von mehreren Whistlebowern 2,3 Mrd. US-Dollar zahlen musste.

In Deutschland jedoch scheinen selbst die bisherigen ersten Ansätze für mehr Transparenz bedroht, denn nach aktuellen Meldungen*** ist die neue Bundesregierung gerade auf der Suche nach einem industriefreundlicheren Kandidaten an der Spitze des – angeblich unabhängigen – IQWiG. Wenn dies gelingt, dürfte die Pharmalobby mal wieder einen Grund zum Feiern haben und wer die Zeche bezahlt, steht auch schon fest.
*http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,663409,00.html
**http://www.psychiatrie.de/dgsp/article/Memorandum_der_DGSP.html
***https://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=in&dig=2009%2F11%2F30%2Fa0049&cHash=c01bb0cd3c"

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