Samstag, 23. August 2008

Arbeitslose in illegalen Call-Center-Jobs

Arbeitslose werden von der ARGE in Call Centern, die dafür Lohnzuschüsse bekommen, für gesetzwidrige Telefonwerbung eingesetzt. Gesetzwidrig ist nicht die Tätigkeit bei Meinungsforschungsinstituten. Hier geht es um Telefonverkauf bzw -werbung von Lotteriegesellschaften und anderen Firmen und um Kaltakquise. Bei Kaltakquise handelt es sich um Anrufe ohne Zustimmung des Angerufenen oder ohne dass vorher eine Geschäftsbeziehung bestand. Das ist laut Gesetz illegal.

Diese Jobs werden den Arbeitslosen reichlich angeboten. Die Arbeitslosen können in eine Zwickmühle geraten. Wenn sie mehrfach Jobangebote ablehnen, kann ihnen die Leistungskürzung drohen oder der Entzug der Leistung. Was nun, der Aufforderung nachkommen einer illegalen Tätigkeit nachzugehen oder die Leistungskürzung riskieren? Wofür die meisten sich entscheiden werden, liegt auf der Hand.

Praktisch für die Call Center ist, dass sie Vermittlungsgutscheine -die oben erwähnten Lohnzuschüsse- bekommen, d.h. die ARGE übernimmt bis zu 50 % des Stundenlohns maximal 12 Monate lang. Es ist auch interessant zu wissen, dass die ARGE mit privaten Jobbörsen und Zeitarbeitsfirmen zusammen arbeitet. Detaillierte Informationen findet man dazu hier:

http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/zwang-zu-illegalen-jobs/

Den Kommentaren zu diesem Artikel sind die Arbeitsbedingungen zu entnehmen: schlechte Bezahlung, benutzerfeindliche Anwendersoftware, kein Urlaubsgeld, keine Gewerkschaft, keine bezahlten Pausen, keine Krankenversicherung. Im Outbound-Bereich stehen die meisten Leute unter Erfolgszwang. Sie müssen eine gewisse Anzahl an Vertragsabschlüssen vorweisen können. Ein User beschreibt, dass man sich sogar für den Gang zum WC ausloggen muss. Durch die Arbeitsbedingungen ist er zum Brillen- und Hörgeräteträger geworden. Mich würde interessieren, wer die Kosten für diese Folgeschäden übernimmt. Ständiges Starren auf einen Bildschirm schadet irgendwann den Augen; deswegen gibt es die betriebsärztlichen Untersuchungen für Bildschirmtätigkeiten bei seriösen Unternehmen. Der Lärmpegel in den Call Centern kann enorm sein.

Ein anderer User schreibt, dass er mehrfach zu Vorstellungsgesprächen zu Call Centern geschickt wurde, er sich bei der ARGE beschwert hatte und es keine negativen Auswirkungen für ihn hatte. Interessant finde ich die Frage eines Users, wann die Staatsanwalt die ARGE wegen Nötigung und Verstößen gegen das Datenschutzgesetz zur Verantwortung zieht. Das kann m.E. nur passieren, wenn sich die Betroffenen zur Wehr setzen.

Es wird immer mehr Druck auf die Arbeitslosen ausgeübt, ihnen mit Bestrafung gedroht, wenn sie unwürdige Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung nicht akzeptieren wollen. Sie rackern für wenig Geld unter menschenverachtenden Bedingungen und werden ausgebeutet, damit die Firmen Gewinne machen können und die Arbeitslosenzahlen vorübergehend geschönt werden können. Wie weit geht das noch?
Arbeitslose Jugendliche werden für die Bundeswehr rekrutiert, Arbeitslose werden in Alters- und Pflegeheimen eingesetzt und in den Call Centern verheizt.
Liebe Eltern, wenn sie nun auch Jugendliche in diese Jobs schicken, sind sie frühzeitig (gesundheits)geschädigt oder später schwerbehindert. Dazu ist erschreckend zu lesen, der Kommentar der Dame zu meinem letzten Beitrag.

Ich bin nicht dagegen, dass man für eine Leistung die man erhält, eine Gegenleistung erbringt. Die Voraussetzungen wie angemessene Bezahlung, akzeptable Arbeitszeiten und -bedingungen müssen dafür gegeben sein.

Wir alle kennen diese unzähligen lästigen Anrufe, die stets unter 'unbekannt' erfolgen. Ich sage gleich, dass ich am Telefon nichts kaufe, weigere mich Daten von mir preis zu geben und fordere sie auf, mir Informationsmaterial zuzusenden. Das machen sie nicht. Das Gespräch ist zügig beendet und aufpassen mit dem Wort 'ja' am Telefon. Das kann einen Vertragsabschluss bedeuten. Wenn wir das alle täten, kann man den Call Centern den Wind aus den Segeln nehmen.

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