Sonntag, 31. August 2008

Demo in Büchel-Ein Erfahrungsbericht

Wir sind am Samstag, dem 30.8.2008 mit einem gut besetzten Reisebus zum Atomwaffenlager Büchel gefahren. Ca. 10 km vor Büchel sahen wir das erste große Polizeiaufgebot. Der Weg von da an war ca. alle 50 m mit Mannschaftswagen der Polizei bestückt. Die ersten Helicopter kreisten am Himmel. Angekommen im Industriegebiet Büchel wurden wir sogleich von der Polizei empfangen. Sie haben uns offen und freundlich unsere Fragen beantwortet. Die Polizei brachte zum Ausdruck, dass ihnen der starke Polizeieinsatz missfällt. Einer unserer Teilnehmer wollte ihnen großzügig frei geben.
Für die Regionalpresse haben wir uns zum Fotoshoting mit unseren Transparanten, Plakaten und Besen zur Verfügung gestellt.

Am Treffpunkt Büchler-Gewerbegebiet-West war die erste Bühne aufgebaut. Viele Reden, eine Liedermacherin, eine peppige Samba-Truppe, Kabarett, US-Veteranen. Die Rede eines Deserteurs und US-Veteranen aus dem Irak ging besonders unter die Haut. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, physisch und psychisch geschädigten US-Veteranen zu helfen und Soldaten auf ihre Einsätze in spe vorzubereiten. Am liebsten würde er sie davon abhalten. Manch einer musste sich bei seinen bewegenden Worten eine Träne wegquetschen.

Uns wurde vom Organisationsleiter gesagt, was wir nicht dürfen. Vor dem Gang zum Haupttor hätten wir die Besen, mit denen wir symbolisch die Atomwaffen wegfegen wollten, abzugeben. Sie wurden mit einem Besenwagen zum Haupttor gefahren. Wir könnten mit den Besen durch die Zäune stochern und allerlei Unsinn anstellen. Keine Waffen, kein Überklettern der Zäune, keine Wasserpistolen, keine Schneidgeräte wegen der Zäune und keine sonstigen Geräte mit denen man spritzen könnte. Das veranlasste einen Mann zu fragen, wie er das verstehen solle. Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite. Die Leute hatten Rucksäcke mit Proviant und Kinderverpflegung dabei. Welche Waffen? Dass Wasserpistolen eine Waffe sind, müssen wir unbedingt ins Waffengesetz aufnehmen.

Die Clowns wurden angewiesen drei Meter Abstand von der Polizei zu halten. Sie haben bei vielen Demos frech-lustig ihren Schabernack mit der Polizei getrieben. Während die Polizei in voller Montur bei vorangegangen Demos als Pufferzone zwischen Demonstranten und Gegendemonstranten stand, haben die Clowns ihre Helmvisiere und Schutzschilder mit Smileys bemalt. Sprecher der Polizei haben zugegeben, dass die Clowns damit die Stimmung entschärft und ein Aufeinanderprallen der Demonstranten und Gegendemonstranten verhindert bzw. abgemildert haben. Genau das ist die Intention der Clowns. Wer nicht weiß, wer die 'bösen' Clowns sind:
http://www.clownsfreiheide.de.tl/
http://de.indymedia.org/2007/04/173955.shtml
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,486816,00.html

Nach Beeendigung der ersten Kundgebung machten wir uns auf den drei Kilometer langen Weg zum Haupttor. Rechts auf der Straße wurden wir von Polizeiwagen flankiert, links neben dem Gehweg von 'Fuss'polizei. Man hatte den Eindruck, jeder von uns hätte seinen eigenen Polizisten. Die Polizei hielt sich angenehm zurück, hat unsere Witze mit einem Lächeln quittiert und war stets ansprechbar. Wir können nicht sagen, wie viele PolizistInnen es waren. Mehrere hunderte
Polizisten auf ca. 2.000 Friedensdemonstranten. Die Polizei selber konnte oder wollte uns über die Zahl auf Anfrage keine Auskunft geben, aber sie zeigten deutlich, dass sie den Einsatz übertrieben fanden. Bedroht gefühlt haben wir uns nicht. Einem Polizisten konnte ich entlocken, dass es eine Anweisung des Innenministeriums gewesen sei. Von oben konnte uns auch nichts passieren, weil die Helicopter unaufhörlich über uns kreisten. Auffällig war für uns alle, wie viel 'Frischfutter' im Einsatz war. Man sah fast nur (sehr) junge, ausgesprochen attraktive PolizistInnen. Viele von ihnen hätte man auf den Laufsteg schicken können. Mit Fotos und Videoaufnahmen hielten sie sich ziemlich zurück.

In dem Atomwaffengelände waren hinter den Zäunen US-Soldaten postiert, denen viele fröhlich zuwinkten. Sie winkten lachend zurück. Wir haben erst später erfahren, dass es der Organisationsleitung gelungen war, den Kommandeur der US-Army zu überzeugen, dass es nicht nötig ist, die US-Soldaten mit Gewehren zu bestücken. Wir bedanken uns bei dem einsichtigen Kommandeur. Uns wäre mulmig geworden, wenn sie mit auf uns gerichteten MP's in der Hand anwesend gewesen wären. Er hat mehr Vertrauen zu uns gehabt, als unser Innenministerium.

Liebes Innenministerium oder wer sonst alles diesen Polizeieinsatz befehligt hatte, bei einer Demo gegen Atomwaffen, kann es keine Gegendemonstranten geben. Wer ist schon für Atomwaffen, außer Politiker und ein paar Verrückte beim Militär? Eine Friedensdemo bedeutet Frieden und nicht Gewalt. Den Aufwand und Kostenwust hätte man sich sparen können.

Trotz des gigantischen Polizeieinsatzes soll es drei Belgiern? gelungen sein, über den Zaun zu klettern. Vor Ort hieß es, dass es 10 Demonstranten gelungen war, den Zaun zu durchschneiden und ins Gelände zu gelangen. Die Medien berichten über eine etwas höhere Zahl. Dazu können wir keine verläßliche Aussage machen, weil wir es nicht gesehen haben.

Auf einer Waldlichtung fand die Hauptkundgebung statt. Die Polizei blieb größtenteils außerhalb der Lichtung. Bei so viel grün und anthrazit hat man uns wohl andere Farbtupfer gönnen wollen.
Nina Hagen hielt eine kurze Rede und präsentierte ein Acapella-Lied. Die Vertreter verschiedener Friedensbewegungen aus diversen Bundesländer hielten ihre Reden. Ebenso die Vertreter der Organisation. Eine Juristenvereinigung klagt gerade, u.a. weil der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan gegen das GG verstößt. Die Bundeswehr darf eigentlich nur bei einem Angriff eingesetzt werden. Sie scheinen Erfolg zu haben.

Die Ärzteorganisation IPPNW war in weißen Ärztekittel zugegen. Sie haben eine Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben. Resultat: 84 % der befragten Deutschen wünschen die Entsorgung der Atomwaffen.
Witzig waren die Auftritte einer Truppe, deren Name mir entfleucht ist, die sich als Atombomben verkleidet hatten.
Ein Lob an die Radfahrertruppe, die 180 km um das Atomgelände absolviert hatte. Die Liedermacherin trat erneut mit ihren kritischen Texten zum Thema auf. Das Open-Air-Konzert konnten wir leider nicht mitverfolgen, weil wir an die Rückfahrt um 18.00 h mit dem Bus gebunden waren. Schade. Ich habe mich freundlich von der Polizei verabschiedet und ihnen einen baldigen Feierabend gewünscht. Sie lächelten gequält und bedankten sich. Sie haben mir bei der Sonneneinstrahlung in ihren dicken Uniformen leid getan, aber sie hatten coole Sonnenbrillen.

Wir haben nicht alles mitbekommen, was auf der Bühne geschah, weil wir zwischendurch vor der Sonne flüchteten, oft in interessanten Gesprächen mit anderen Demonstranten verwickelt waren und uns von einer niederländischen Gruppe kulinarisch haben verwöhnen lassen. Die Gruppe war sehr gut organisiert und stand den ganzen Tag in der prallen Sonne, um Essen und Getränke auszuteilen und stundenlang Teller, Besteck und Becher zu spülen. Sie hatten keinen Preis für ihr Angebot festgesetzt. Jedem blieb überlassen, was er spendet. Wir bedanken uns bei den netten fleißigen Niederländern.

Das Teilnehmeralter lag zwischen 0 und ca. 75 Jahren. Ich habe bei einer Demo noch nie so viele 'ältere Semester' erlebt und bei einer Friedensdemo noch nie so viel Polizei. Wir haben uns mit einigen Kindern, die vor Ort waren, unterhalten. Ausgesprochen kluge, gebildete, argumentationsstarke Köpfe. Das sind bestimmt keine PISA-Kandidaten.

Unser Fazit: eine gelungene, friedliche, gewaltfreie, harmonische Veranstaltung, die hoffentlich positive Auswirkungen auf die Zukunft haben wird. Alkohol wurde kaum konsumiert. Die Clowns haben die Stimmung humorig aufgepeppt. Polizisten, die gestanden, dass sie lieber mit uns mitgelaufen oder bei ihren Familien wären, als den ganzen Tag untätig herumstehen zu müssen. Bis auf die paar Hitzköpfe, die sich am Zaun zu schaffen machten, hatte die Polizei keine Arbeit mit uns.

Bevor ich es vergesse: ein Polizist erzählte, dass das Innenministerium das Auftauchen des 'schwarzen Blocks' befürchtete. Ein anderer Polizist erzählte am Anfang, dass sie keinerlei Meldung über ihr Auftauchen haben. Sie würden im Geschehensfalle aber alles tun, um uns vor ihnen zu beschützen. Danke, sie haben wirklich gut auf uns aufpasst, obwohl die meisten von uns mehr als drei mal sieben sind. Ein unnötig starker kostenintensiver Polizeieinsatz, den wir nicht der Polizei anlasten. Die Polizisten sind wie wir das Volk und haben sich wirklich als Freund und Helfer erwiesen. Wir hatten die weißen Sklavenbändchen für das Handgelenk dabei und sogar die Polizei hat sie sich umbinden lassen. Manche haben sich geweigert. Akzeptiert.

Diesmal stelle ich keine Links als Quellennachweis ein, weil es die Zusammenfassung unserer Eindrücke ist.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hallo schwalbe,

ich möchte einige sachen in deinem ansonsten schönen (abgesehen von der bezeichnung "frischfutter" für junge frauen...) bericht klar- bzw. richtig stellen:

der "fliegerhorst büchel" ist eine bundeswehr-einrichtung, und die soldaten, die du gesehen hast, waren deutsche. es gibt dort zwar auch wenige us-soldaten im inneren bereich, aber die waren sicher bewaffnet. dass die soldaten am zaun unbewaffnet waren, hat der (deutsche) kommandeur angeordnet, m. w. aber nicht, weil die demo-orga ihn drum gebeten hätte. und vermutlich hat er das auch nicht ohne absprache mit vorgesetzten getan...

und die leute, die über oder durch den zaun wollten, sind keine "hitzköpfe". es sind vielmehr sehr besonnene und bewusste menschen, die sich in gruppen auf solche aktionen zivilen ungehorsams vorbereiten. eine von ihnen hat für solche aktionen den alternativen friedensnobelpreis bekommen.
übrigens: diese "go in"-aktion war lange vorher öffentlich angekündigt, darum das "übertriebene" polizeiaufgebot.

gruß taube

Brigitte hat gesagt…

Hallo Taube oder anonym,
ich muss widersprechen. Das Wort 'Frischfutter' für sehr junge Menschen im Polizeieinsatz bezog sich auf PolizistInnen. PolizistInnen ist die Kombination von Polizisten und Polizistinnen. Damit waren Männlein und Weiblein gemeint. Entstanden sind Worte wie PolizistInnen, SchülerInnen, StudentInnen, etc., weil Feministinnen oder Emanzipatorinnen (meine Wortschöpfung) die vermeintliche Vermännlichung der deutschen Sprache kritisiert hatten. Ich empfehle dazu: Bert Brandenburg, 'Die Töchter Egalias'. :-o)

Hhmmm, zu den Soldaten hat man uns entweder eine Fehlinformation vermittelt oder wir sind alle ein Fall für den HNO ;-). Egal, ob BW- oder US-Soldaten, gegen Friedensdemonstranten Waffen zu richten, ist unpassend. Es ist ohne Zweifel wichtig, dass wir alle unsere Infos bündeln. Wir haben keine Soldaten mit Waffen gesehen oder sie haben sie versteckt.
Sorry, Leute, die über den Zaun gehen oder ihn zerschneiden (Sachbeschädigung) sind für mich unbesonne Hitzköpfe. Es geht auch anders. Alternativer Friedensnobel preis hin oder her. Das waren hoffentlich nicht Al Gore oder H. Kissinger :-o), aber die Kandidaten sind ja nicht alternativ, sondern ........
Wg. der 'go in-Aktion' hatten wir keine Infos, aber gut, dass du es geschrieben hast.

Und denk daran nicht nur Adler können fliegen, sondern auch Tauben und Schwalben :-)
Gruß die Schwalbe