In der Kirche und im Religionsunterricht erzählt man ihnen von christlicher Nächstenliebe, die kaum praktiziert wird. Man bringt ihnen bei zu teilen. Das sagen meistens die, die selber nicht teilen wollen. Meistens sind die bereit zu geben, die selber wenig haben. Die, die im Wohlstand ersticken, erweisen sich als Raffzähne. Vor Jahren sollten Kinder in einer Kindersendung den Erwachsenen das Wort Papst erklären, ohne das Wort nennen zu dürfen. Ein sechsjähriger Junge: "Das ist der, der immer sagt, man soll den Armen geben, aber selber nichts abgibt." Die Erwachsenen wussten sofort die Antwort.
Man will ihnen Gewaltfreiheit beibringen. Täglich erleben sie durch Medienberichte, eigene Erfahrungen, Beobachtungen und uns Gewalt. Mit uns ist gemeint: wir dulden Gewalt. Duldung durch Unterlassung kann eine Straftat sein. Sie erleben, dass die Erwachsenen Kriege führen. Wir reden von Werten und was soll bitte ein Kind unter einem "Krieg der Werte" oder "Krieg dem Terror" verstehen, wenn wir selber noch viel mehr Terror, Leid, Unheil verbreiten? Ist das die Stärke von uns Erwachsenen? Andere Länder zu bestehlen, zu besetzen, zu überfallen, zu nötigen, zu erpressen? Das Ganze natürlich nur rein humanitär unter dem Deckmäntelchen der Freiheits- und Sicherheitsverteidigung und um ihnen unsere Werte mit auf den Weg zu geben, ob sie wollen oder nicht. Danach wird nicht gefragt. Sind die Werte der anderen die schlechteren?
Wir erzählen ihnen von Gerechtigkeit. Dazu schildere ich kurz eine Szene aus dem Schulalltag. Eine Schülerin greift einen Schüler an. Sie muss mächtig auf ihn eingeprügelt haben. Er wehrt sich. Er wird ins Rektorat zitiert und bestraft mit der lapidaren Begründung: "Ein Mädchen schlägt man nicht." Sie geht straffrei aus. Mein Sohn ist als Zeuge dabei und wird gelobt, weil er das Mädchen verteidigt hat. Er gibt ehrlich zu, dass er nicht das Mädchen, sondern den Jungen verteidigt hat, sonst hätte sie ihm noch mehr zugesetzt. Er wird auch bestraft. Ist das gerecht? Die ganze Geschichte, wie sie wirklich war, hat nicht interessiert. Das erinnert mich an gewisse Untersuchungsausschüsse.
Die Kinder werden auf Leistung getrimmt. Je höher, je schneller, je besser. Mein Haus, mein Auto, mein Pferd, mein Garten. Unterm Strich zähl' ich. Stark und ein Gewinner ist der, der in diesem System besteht. Schwach und ein Verlierer ist der, der in dem System nicht besteht oder sich verweigert. Sind nicht eher die Verweigerer die Starken? Sind nicht die, die das System und die Gesellschaft anzweifeln und nach ihren Neigungen und Interessen ihren eigenen Weg gehen wollen, die Starken?
Die Kinder werden zum Konsum erzogen. Die Werbung schreit es uns entgegen. Überall, wo wir gehen und stehen. Jeder muss ein IPod oder ein IPhone haben, sonst schwimmt man nicht mit dem Strom und ist out. Ist gerade der neuste noch leistungsstärkere PC auf dem Markt, kommt die nächste Steigerung. Sind nicht die stark, die diesem Konsumwahn widerstehen können? Leidet unser Selbstbewusstsein, wenn wir nicht den neusten Plasmafernseher haben, nur weil unser Nachbar einen hat?
Ist nicht der stark, der sich gegen eine Gruppe stellt, um einen anderen zu verteidigen und zu unterstützen? Bei uns herrscht überwiegend die ich-halte-mich-lieber-heraus-Mentalität. Man bringt den Kindern die Werkzeuge der egoistischen Ellebogentechnik bei: nur die Harten kommen in den Garten. Sind die, die ihre positiven Gefühle zeigen und andere daran teilhaben lassen können, weil sie sie sich nicht haben abtrainieren lassen, nicht eher die Starken? Ist nicht derjenige stark, der seine negativen Gefühle und Schwächen erkennt, sie zugeben und ändern kann? Ist nicht derjenige stark, der mit Kritik umgehen und sie annehmen kann, um dann Selbstkritik zu üben? Ist jemand schwach der verzeihen kann, der nicht auf Rache aus ist? Ist jemand schwach, der gönnen kann und dem Neid fremd ist?
Wie steht es mit dem Sozialneid? Anhand einiger Kommentare zu diesem Artikel kann man es auf beschämende Art nachlesen: Vorurteile, Pauschalbewertungen über 8,1 Mio. Personen, deren Einzelschicksale uns unbekannt sind. 41,6 Mrd. pro Jahr für Menschen vs. über 500 Mrd. an Bankenrettungspaketen für Saugnäpfe mit steigender Tendenz:
"Jeder zehnte Bürger lebt auf Staatskosten
Jeder zehnte in Deutschland lebende Mensch ist auf existenzsichernde Hilfe vom Staat angewiesen. 8,1 Millionen Personen erhielten zum Jahresende 2007 Transferleistungen der sozialen Sicherungssysteme. Die Leistungen umfassen zum Beispiel Hartz IV oder die Grundsicherung im Alter."
Die Überschrift ist bezeichnend. Der erhobene Fingerzeig. Medien und Politik lenken immer wieder den Unmut auf die Schwächsten. Unsere Mitmenschen fallen verläßlich darauf herein. Das hat Methode und Tradition, lenkt von den ursächlich Verantwortlichen ab, sichert den Falschen die Macht und vermeidet die nicht gewollte Solidarität.
Sind das alles unsere Werte, auf die wir stolz sein können? Unsere Stärken und Schwächen? So wie ein Fanatiker auf Fanatismus gedrillt wird, versucht man uns auszurichten auf Leistung, Konsum, Egoismus und Rücksichtslosigkeit.
Wir als Eltern/Erwachsene müssen Kindern Zuneigung und Verständnis schenken und sollten ihnen in sinnvoller Dosierung Selbstbewusstsein, Sozialverhalten, Durchhaltevermögen und Kampfgeist beibringen und möglichst den Druck, der ihnen in unserer Gesellschaft beschert wird, abschwächen. Wen oder was unterstützt man? Wofür setzt man sich ein? Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Last but not least: jeder muss selber entscheiden, was für ihn wichtig im Leben ist. Ist nicht der größte Wert Zeit und Verständnis füreinander zu haben, anstatt käuflichen Dingen hinterher zu hecheln?
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