Montag, 8. September 2008

Der soziale Verfall

Herr Straubhaar ist für eine geringere Unterstützung von Arbeitslosen, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Unsere Kanzlerin betont eilig, dass es keine Kürzungen der Regelsätze geben wird. Bleibt abzuwarten, was nach den Wahlen im September 2009 von dieser Aussage übrig bleibt. Es wäre sinnvoller, wenn man endlich etwas gegen die 1- und 400-Euro-Jobs täte. Die Firmen und Einrichtungen nutzen diese Möglichkeit weidlich aus, um an preiswerte Arbeitskräfte zu kommen. Im Verwandtenkreis ist gerade eine junge Frau arbeitslos geworden. Man hat ihr sofort einen 1-Euro-Job für neun Monate in einem Altenheim vermittelt. Sie hat keinerlei Erfahrung in der Altenpflege. Die ARGE freut sich, dass sie erst gar nicht in die Statistik aufgenommen werden muss, das Altenheim freut sich über eine billige Arbeitskraft. Der Anreiz auf Arbeit stiege mehr, wenn die Menschen gerecht bezahlt würden.

"Die Höhe der Sozialleistungen bestimmt, ab welchem Lohn ein Mensch bereit ist zu arbeiten", sagte Straubhaar. Darin steckt eine Unterstellung: solange ich es mir auf Staatskosten gut gehen lassen kann, tue ich keinen Handschlag. Formulieren wir es so: die Höhe des Arbeitslohnes oder -gehaltes ist ausschlaggebend und, ob man für die Arbeit geeignet ist.
"Bei einem niedrigeren Hartz IV-Regelsatz würde sich eigene Arbeit vergleichsweise besser lohnen und der Anreiz, arbeiten zu gehen, wäre stärker", prognostizierte der Ökonom.
Das bedeutet, dass noch mehr Druck auf Arbeitslose ausgeübt werden soll, damit die Leute bereit sind, für wenig Geld zu arbeiten. Es ist zu befürchten, dass nach den Wahlen die Kürzungen erfolgen werden. Die verstärkten Vorschläge von Kontrollmaßnahmen und Kürzungen zeigen, dass Politiker, Forscher und Ökonomen wenig Vertrauen mit ihren Unterstellungen in wahlberechtigte Arbeitslose haben. Sie erzeugen auch Druck auf die arbeitende Bevölkerung. Message: Passe auf, dass du nicht arbeitslos wirst,denn dann weißt du, was dir blüht. Nimm ja jeden (schlecht) bezahlten Job an.
Unsere Kanzlerin kann es nicht lassen, über das Ziel der Vollbeschäftigung zu reden und fast täglich liest man Meldungen von angekündigten Arbeitsplatzkürzungen der Firmen.

"Krankmeldungen sollten künftig besser geprüft werden", sagte Olaf Scholz dem Nachrichtenmagazin "Focus"
Einer weiterer Beweis, wie wenig man Arbeitslosen vertraut und dass man ihnen pauschal durch simulierte Krankheiten Drückebergerei unterstellt. Werden Krankmeldungen geprüft, verstößt das gegen die ärztliche Schweigepflicht und die Ärzteentscheidungen werden mitgeprüft und angezweifelt. Fraglich ist, ob Ärzte und Ärztekammern solch ein Vorgehen protestlos hinnehmen würden. Wir brauchen nur die E-Gesundheitscard abzuwarten. Dann sind wir alle gläserne Patienten. Vielleicht kommt demnächst ein Gesetz heraus: Arbeitslosen wird verboten, krank zu werden.

"Wir statten auch den Zoll besser aus, damit er Schwarzarbeit noch effizienter aufdecken kann", fügte der SPD-Politiker hinzu.
Prima Idee! Das schafft Arbeitsplätze. Wenn ein Leistungsempfänger schwarzarbeitet, ist das ein Betrug an uns allen. Es sollte nicht nur der Leistungsempfänger bestraft werden, sondern zusätzlich die Firmen und Geschäfte, die schwarzarbeiten lassen. Die Zahlen des Leistungsmissbrauches liegen irgendwo zwischen ein und drei Prozent. Deswegen machen sie so einen Aufstand?
Ich hoffe, die Herrschaften haben nichts dagegen, dass wir 8 Mio. Euro als Aufbau- bzw. Flüchtlingshilfe an Georgien zahlen wollen. Hilfsgüter will Georgien aus lauter Dankbarkeit mit einer Einfuhrsteuer belegen.

Frau von der Leyen muss mit dem falschen Fuß aufgestanden sein:
"Erstens erleben sie (die Kinder), dass das Geld von Vater Staat kommt und nicht von Arbeit. Zweitens hat ihr Alltag zu Hause weniger Struktur." Die größten Risiken aber seien Isolation und eine Umgebung mit zu viel Fernsehen und zu wenig Anregung. "Deshalb brauchen diese Kinder viele andere Kinder um sich - idealerweise in einem Kindergarten", sagte Frau von der Leyen. "Da lernen sie Regeln, sprechen viel und entdecken spielerisch, wie viele Talente und Fähigkeiten sie haben."

In diesen Sätzen stecken eine Menge Unterstellungen. Wie Kinder etwas erleben, liegt daran, wie man es ihnen vermittelt. Das sollte sie als mehrfache Mutter wissen. Was glaubt sie, was Arbeitslose ihren Kinder sagen: "Hussa, Fiesta Alemagna wir machen uns ein tolles Leben auf Kosten des Staates und sind zu faul zum arbeiten? Vielleicht sagen sie ihren Kinder aber auch, dass es zu ihrer Schulzeit Schulbücher und Pausenmilch/-kakao gratis gegeben hat. Woher weiß sie, dass bei Arbeitslosen weniger Struktur gegeben ist und die Kids zu viel Fernsehen? War sie in jedem Haushalt, dass sie es beurteilen kann? Vielleicht gibt es wieder irgendeine komische Statistik oder Meinungsumfrage, auf die sie ihre Worte stützt?!

Die Isolation ist gegeben, wenn sich die Kinder an Freizeitaktivitäten nicht beteiligen können, weil diese mit Kosten verbunden sind. Dazu kommt der Markenwahn, den viele Eltern finanzieren und bei dem die Kinder von Arbeitslosen nicht mithalten können. Das könnte man mit Einführung einer Schuluniform verhindern. Das Spielen auf Spielplätzen, Wiesen und in Parks ist (noch) gratis. Die Kinder werden zunehmend dadurch isoliert, dass Politiker, Medien und sonstige 'Experten' ihre arbeitslosen Eltern diffamieren und sie unter Generalverdacht stellen.

Die Meldungen und Berichte der letzten Wochen und Monate setzen sich in vielen Köpfen als Vorurteile fest und wiegeln die Bevölkerung gegeneinander auf. Da Kinder leicht beeinflussbar sind und sie die Ansichten von Erwachsenen kritiklos übernehmen, wird schnell auf die Kinder der Arbeitslosen mit den Fingern gezeigt: 'Guck mal, der hat einen arbeitsscheuen Papa.'

Den Satz mit dem Kindergarten unterstützte ich, stünde da ein 'zusätzlich'. Daraus kann man negativ deuten, dass arbeitslose Eltern ihren Kindern keine Regeln beibringen, wenig mit ihnen sprechen und spielen. Das wäre ein Absprechen ihrer Erziehungskompetenz und ihrer elterlichen Fürsorge. Einen Kindergartenplatz muss man bezahlen können. Sie sind nicht umsonst. Wir wissen auch, dass unsere Familienministerium Kinder von 0 - 3 Jahren am liebsten in Kitas nach Bertelsmann-Vorbild stecken würde.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,576782,00.html

Diese Dame regt sich über die Behandlungsweise von Arbeitlosen und die Hetzerei ähnlich auf wie ich. Sie hat Recht. Steuern wir dagegen:
http://www.claudia-klinger.de/digidiary/2008/09/08/noch-weniger-hartz4/

Marius Müller-Westernhagen ist froh, dass er kein Dicker ist. Ich bin froh, dass ich kein Leistungsempfänger bin. Außer Beamten kann dieses Schicksal uns allen wiederfahren, obwohl wir ja den Aufschwung haben.

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