Da ich ja gerade meine "Gesundheitswoche" habe und in entsprechender Stimmung bin, schildere ich eine erlebte Geschichte. Das Hautdrama in mehreren Akten: ich wachte auf und es juckte mich. Ich dachte zuerst: oh nee, die Schuppenflechte ist wieder da. Es sah aber anders aus. Es fühlte sich anders an.
Binnen zwei Stunden war fast der ganze Körper mit juckenden brennenden Flechten übersät. Meine Kinder schreckten vor mir zurück. Ich hatte ihnen angeraten meine Haut besser nicht zu berühren, da ich nicht wusste, was es ist. Ich nahm es ihnen nicht übel. Die Dame beim Hautarztempfang sagte mir, dass sie keinen Termin frei habe. Ich bestand auf Empfang und deklarierte mich als Notfall. Der Doc, der mich als Schuppenflechtepatientin kannte, tippte auf Schuppenflechte. Ich sagte ihm, dass das keine Schuppenflechte sein kann. Er lächelte dieses ich-bin-der-Arzt-Lächeln und du kleine Doofe hast keine Ahnung. Das verschriebene Mittel half mir nicht. Ich ging wieder hin. Er gab mir ein anderes Mittel. Das half ebenfalls nicht. Ich habe noch zwei Hautärtze konsultiert. Kein Mittel half.
Der Dritte im Bunde, den ich das zweite Mal -diesmal sehr vorwurfsvoll- konsultierte, überwies mich ins Hautklinikum. Ich hatte vier Wochen heftigen Juckreiz erlebt. Als Erwachsener kann man sich beherrschen und ablenken. Wenn man, trotz Juckreiz, endlich in den Schlaf gekommen ist, kratzt man sich unbewusst blutig.
Der Wartebereich war sehr voll. Nach zwei Stunden "durfte" ich ins Untersuchungszimmer. Eine junge Ärztin untersuchte mich. Ich sagte ihr gleich, dass es keine Schuppenflechte sein kann. Sie rief einen Kollegen zu Hilfe, er den nächsten Kollegen und er den Oberarzt. Vier Ärzte standen um mich herum und lamentierten, was es sein könnte. Ich hörte mir das an, bis mir der Kragen platzte.
Ich sagte ihnen: "Ich komme mir vor wie bei "Wer wird Millionär." Ist es a) Schuppenflechte, b) eine Allergie, c) Neurodermitis, d) ein Ekzem? 50:50 bedeutet: zwei von ihnen verschwinden aus dem Untersuchungszimmer. Als Publikumsjoker nehmen wir die Leute aus dem Wartebereich. Als Telefonjoker nehmen wir den Chefarzt. Ich ärgere mich seit vier Wochen mit diesen Ausschlägen herum, kratze mich nachts blutig. Ihre Kollegen haben mir nur Mist verschrieben. Ich fühle mich als ärztliches Versuchsobjekt und erwarte von ihnen eine Lösung. Wie wäre es mit einer Gewebsprobe?" Der Oberarzt: "Bei der Frau machen wir zwei Gewebsproben." Sein Kollege schlug noch einen Allergietest vor. Ich sagte ihm, dass ich den schon lange hinter mir habe und das eine unnötige Geldausgabe sei.
Eine Gewebsprobe ist nicht weiter schlimm. Vereisung, zwei kleine Schnitte, ausstanzen, zunähen. Resultat: neurodermitisches Ekzem. Ursache: unbekannt. Der Oberdoc hat mir ein Mittel geschenkt -stark kortisonhaltig- welches mir binnen zwei Tagen Linderung verschaffte und eine Pflegecreme zur Nachpflege. Der Tipp mit dem pflegenden Olivenöl kam von ihm. Er sagte mir, dass ich jederzeit wieder zu ihm kommen könne, die Hautärzte mir tatsächlich Mist verschrieben hätten, es wohl an ihren beschränkten Budgets läge und ich die bisher aufgesuchten Stümper meiden solle. Dann schlug er mir grinsend auf die Schulter und meinte ich hätte ein verbotenes, aber nachdenkenswertes Großmaul. Er wünschte sich noch mehr von mir. Das haben mir ÄrztInnen, die Patientenkritik erlebten, oft gesagt. Was machen wir daraus? Ich glaube, sie wollen die Patientenunterstützung.
Jetzt überlegen wir mal genauer: wenn der erste Arzt, der meinte sein Budget schonen zu müssen, mir sofort das wirkungsvolle Mittel verschrieben hätte, wären mehrere Arztbesuche plus nichtsnutziger verschriebender Mittel plus Hautklinik unnötig gewesen. Kosten-Nutzenrechnung. Ich hätte keinen weiteren Juckreiz und keinen Terminstress gehabt.
Ich könnte einen ganzen Roman über ärztliche Fehldiagnosen schreiben. Das wäre aber unfair. Unter ihnen gibt es auch die Guten, die sich selbstlos für ihre Patienten einsetzen. Die Guten wollen wir uns bewahren. Man muss sie suchen und dann findet man.
Was sie meiner Brut alles verschrieben haben und ich verweigert habe, spricht Bände. Antibiotika und Penicillin im Schnellverfahren. Es hieß auf meinen Protest, ich sei unverantwortlich. Ich pflege das Buch "Bittere Pillen" in Arztpraxen mitzuschleppen. Die Erstausgabe erschien 1999 gegen den Protest der Pharmaindustrie. Danach verschwanden 40 % der Medis vom Markt.
Nachdem ich jedesmal einen zweiten Arzt gefragt hatte, der eine andere Diagnose stellte, hieß es, es sei gut gewesen, dass ich ihnen die Mittel nicht gegeben habe. Wenn jemand einen Infekt oder Virus diagnostiziert, ohne einen Abstrich, eine Urinuntersuchung oder eine Ultraschalluntersuchung gemacht zu haben, habe ich berechtigte Zweifel. Sie hatten sich voreilig verschätzt und zu schnell diagnostiziert. Schnell, schnell weiter zum nächsten Patienten. Das unnötig verschriebene Zeug landete in der Mülltonne. Eigentlich müssten die Kassen nun aufjaulen. Das waren Erkältungen.
Wadenwickel, bei einem Menschen sein, Nähe und Fürsorge geben und bekommen, die Stirn kühlen, Schweiß abwischen, für Lüftung sorgen, tun es gegebenfalls auch. Dieses schnell, schnell ist nicht dienlich. Die Menschen sind gehetzt und fühlen sich gehetzt. Die Leistungsgesellschaft ruft.
Das heißt nicht, dass Ärzte nur Mist bauen. Sie werden von der Gesundheitsreform immer mehr eingeschränkt. Die, die protestieren brauchen unsere Unterstützung. Das nennt man Solidarität. Die meisten wissen, wie sich das schreibt oder liest, aber nicht, wie sich das lebt.
Solange jeder nur an sich selbst denkt, wird sich nichts ändern. "Drum liebe deinen Nächsten, wie dich selbst." Huhu, Christen. Wer sich nicht selbst liebt, kann den Nächsten nicht lieben, behaupte ich kühn. Nein, ich bin nicht religiös.
Meine Schwester litt unter Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen. Sie bekam eine Magen- und Darmspiegelung mit Konzentrationsmitteln und musste unter den Konsequenzen leiden. Ich habe sie vorher gewarnt. In Wahrheit litt sie unter dem Noro-Virus. Das hätte man anders, menschenfreundlicher und kostengünstiger feststellen können.
Mein Mann litt vor zwei Jahren unter Bauchschmerzen. Der Arzt behauptete, dass sei ein Gallenproblem und wollte ihn gleich zur Gallen-OP ins Krankenhaus schicken. Mein Mann hat auf meinen Rat einen Doc aufgesucht, der für seine Gründlichkeit bekannt ist. Ergebnis: Magenschleimhautentzündung. Er hat ihm nichts verschrieben, sondern ihm eine schonende Ernährung angeraten und auf Reizstoffe zu verzichten. Nach wenigen Tagen war er schmerzfrei und die Galle ist noch drinnen.
Meine Kinder kamen nach zwei Tagen wieder zu mir und meinten, dass es albern sei, sich vor mir ekeln zu müssen. Die kleinen Helden. Heute zögern sie keine Minute mehr, wenn Mudder Ausschläge hat. Es gab und gibt ja auch nichts Ansteckendes. Meine Familie hielt zu mir. Man sieht nicht toll aus, wenn man Ausschläge und Ekzeme hat. Einige Mitmenschen haben mich noch Wochen danach gemieden. Die Unwissenden. Die, die mich nicht gemieden haben, sind die "ehrenwerte" Auslese. Die Spreu trennt sich vom Weizen.
Und jetzt versuchen wir uns vorzustellen, was es für Kinder mit diesen Hautkrankheiten bedeutet?! Sie werden gehänselt, geächtet, sind Ausgestoßene und wir können und müssen überlegen, woher es kommt?! Kinder haben keine Berührungsängste. Wenn man einem Kind die Ursachen erklärt, kann es damit umgehen. Die Kinder, die die Ausgestoßenen verteidigen, werden abgestempelt und stigmatisiert. Es wäre die Aufgabe von uns Erwachsenen ihnen zu helfen. Wollen wir? Damit meine ich auch Hartz-Kinder und sog. Streberkinder, die schneller lernen, als andere. Damit meine ich die "lernschwachen" Kinder. Früher hieß es: du fauler H... hast nix gelernt. Was, du hast eine schlechte Note? Dann wirst du kein Mitglied in dieser Leistungsgesellschaft. Heute heißt es: wir brauchen eine Therapie. Her mit dem Doc, dem Sozialtherapeuten und dem Psycho. Die Mitte sind i.d.R. die Mitläufer oder Opportunisten. Und watt nu?
Begreifen die Menschen nicht, dass sich ein System oder eine Ideologie nennen kann wie es will, wenn es den gleichen Grundprinzipien und Machtstrukturen unterliegt?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen