Mittwoch, 19. November 2008

Das 'Ungeziefer' Kind

oder das 'wilde Tier' in ihm? Was geschieht gerade in Großbritannien, was geschieht gerade überall auf der Welt mit den (jungen) Menschen?
Wir wollen nicht über die Briten herziehen, sondern das Ganze allgemein beleuchten. Respekt kann man nicht erzwingen. Respekt muss man erlernen und man kann nur lernen, was gelehrt wird. Respekt sollte man vor jedem Lebewesen haben.Viel wahres ist daran: Kinder kommen nicht auf fremde Leute, wie der Herr so das Gescher oder wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es heraus. Kinder haben die Eigenart sich am Verhalten von Erwachsenen zu orientieren. Sie sind wahre Nachahmer. Es ist längst wissenschaftlich erwiesen, dass die gesamte Wahrnehmung und die kognitiven Fähigkeiten vornehmlich in den ersten drei Lebensjahren geprägt werden. Was in dieser Zeit versäumt wurde, ist schwer reparabel, aber nicht unmöglich.

Verhalten sich Erwachsene Kindern gegenüber respektvoll? Am besten geeignet für 'Mileustudien' sind Supermärkte, öffentliche Verkehrsmittel und Plätze. 'Mach mal Platz, du Pimpf', 'du stehst im Weg', 'stehe auf, der Platz steht mir zu', 'wie seht ihr denn aus?', 'hat man euch keine Manieren beigebracht?', 'ihr pöbelndes Gesindel' und dabei haben sie nicht gepöbelt, sondern häufig werden die Jugendlichen bepöbelt. Und wenn ein Kind schreit, erfolgt: 'dem würde ich mal den Hintern versohlen'. Spielende Kinder werden wegen des typischen kindlichen Lärmpegels angemeckert: 'Macht das ihr hier weg kommt, sonst rufe ich die Polizei', 'verschwindet, ihr stört' oder es wird gleich die Ladung Wasser präsentiert. Das Wort 'bitte' und die Fähigkeit zu einem vernünftigen Gespräch scheint vielen Erwachsenen abhanden gekommen zu sein oder sie haben es selber nie gelernt.

Das ist kein respektvolles Verhalten und zeigt die Geringschätzung der Gesellschaft gegenüber Kindern auf (laut Gesetz ist Kind, wer unter 18 Jahre ist). Diese Ohnmacht gegen die Omnipotenz der Erwachsenen, dass die kindlichen Bedürfnisse unberücksichtigt bleiben, der Mangel an Wertschätzung, Anerkennung und Respekt, die Perspektiven- und Verständnislosigkeit, die sich breit machen, das kann zu Aggression, Wut, Hass und 'auffälligem' Verhalten führen. Sie sind der Spiegel unserer Gesellschaft.

Überwachung und Strafe bekämpfen nicht die Ursache, sondern nur das Symtom. Zitat eines Arztes: "Ich kann eine Krankheit heilen, aber nicht den Patienten."
Die Bezeichnungen 'Ungeziefer' und 'wilde Tiere' für Kinder sind indiskutabel. Was versteht man unter Rowdies und wild? Erinnern wir uns an unsere Pubertät zurück: diese Zeit, in der wir weder Fisch noch Fleisch waren. Der Körper, das Gehirn, die Emotionen, der Hormonspiegel spielen verrückt. In der Zeit wollen sich die meisten Jugendlichen von den Erwachsenen abgrenzen und die Zeit der Abnabelung beginnt. Sie zeigen es nicht nur in ihrem Verhalten, sondern auch in der äußerlichen Veränderung. So aussehen wie die Erwachsenen will man nicht, also werden die Haare blau gefärbt, gegelt, 'unmögliche' Klamotten angezogen.

Sie entwickeln ihre eigene Sprache und uniformieren sich in einer Gruppe auf ihre Art. Es ist eine Zeit der Neu- und Umorientierung und was sie dann besonders brauchen, ist ein stützendes Elternhaus oder eine andere erwachsene vernünftige Orientierungsperson. Vereine, in denen die Neigungen, das Hobby, die Interessen von Kindern berücksichtigt werden, können hilfreich sein. Dort lernen sie Sozialverhalten, Gruppendynamik (hoffentlich positiv) , Rücksichtnahme und Teamgeist. Man muss sie bezahlen können.

Was erleben sie? Eltern, die an ihrer Karriere basteln, weil sie der Leistungs- und Konsumgesellschaft unterlegen sind und die Kinder sollen es ja mal besser haben. Eltern, die sich für schlechte Löhne abrackern. Dazwischen gibt es kaum noch eine Mitte. Abends sind die Eltern häufig zu müde, um noch Zeit für die Sorgen und Nöte der Kinder aufzubringen. Sie erleben Eltern, die arbeitslos sind und oft ihre Hoffnungslosigkeit auf die Kinder übertragen. Viele Eltern sind mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt. Sie erleben die Schließungen von Jugendeinrichtungen, weil es Städten, Kommunen und Gemeinden angeblich an Geld mangelt. Gleichzeitig erfahren sie, wofür Geld vorhanden ist. Wohin? Dann gehen sie in Parks und treiben sich auf der Straße herum, um unter ihresgleichen zu sein, weil ihnen die Begegnungsstätten fehlen. Gibt es eine Begegnungsstätte, erfolgen meist die Beschwerden der Erwachsenen. Man will schließlich als 'ordentlicher rechtschaffender Bürger' seine Ruhe haben. Wer kann schon die Preise in Lokalen und Discos bezahlen?

Sie erleben überfüllte Klassen, überforderte Lehrkräfte, den Mangel an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, den Mangel an Verständnis.

Auf diesen Artikel habe ich mich berufen und aus Erfahrung geschrieben. Aus meiner Sicht und der, der Kinder.
"Die Briten scheinen zunehmend Angst vor Kindern und Jugendlichen zu haben. Schon seit Jahren werden Kampagnen zur Erzwingung von mehr Respekt gefahren, während man die Kategorie des "antisozialen Verhaltens" geschaffen hat, um Jugendliche entsprechend mit ASBOs (Anti-Social Behavior Orders) zu bestrafen. Aber Überwachen und Strafen lösen die Probleme nicht....
Nach einer Online-Umfrage, die YouGov bei über 2000 Erwachsenen für die Kinderstiftung Barnardo's im Oktober durchgeführt hat, sagt ein Drittel, dass die Straßen von jungen Rowdies "verseucht" seien, 45 Prozent betrachten Kinder als "wild". Und 54 Prozent sagen, dass sich die britischen Kinder wie Tiere zu benehmen beginnen. Die Hälfte fürchtet, dass die Kinder und Jugendlichen eine Gefahr für sich selbst und die Erwachsenen darstellen. Kein Wunder, dass dann 43 Prozent der Forderung zustimmen, dass die Allgemeinheit besser vor den Jugendlichen geschützt werden müsse."
http://www.heise.de/tp/blogs/3/118995

Wir haben ein Beispiel aus München und das ist nur eins von vielen. Ich könnte x Links schicken, wie Kinder in ihren Rechten und Bedürfnissen beschnitten werden. Ich bin der Meinung, dass sie ein Selbst- und Mitbestimmungsrecht haben. Das hat nichts mit den 68gern und der falsch verstandenen Antiautoritätsbewegung zu tun.

"Die Münchner Lokalbaukommission geht gegen mehrere angeblich zu groß geratene Kinderspielhäuser im Osten der Stadt vor. Die Stadt hat es seit 2 Jahren nicht geschafft dort die versprochenen Spiel und Bolzplätze, sowie Grünanlagen zu bauen. Stattdessen blicken die Bewohner jetzt statt auf einen Park auf Abraumhalden und stinkende Seen. Beim dubiosen Bodenaustausch drückte die Stadt beide Augen zu, bei den Kinderspielhäusern zeigt sie jetzt die harte Hand."
http://www.br-online.de/das-erste/report-muenchen/report-kinderspielplatz-buerokratie-ID1226927377685.xml

Wenn sie kriminell werden, sind sie so nicht zur Welt gekommen. Sie unterliegen den Einflüssen ihrer Umfeldes und der Gesellschaft. Die Suche nach Anerkennung, der Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit, kann auf die falsche Fährte führen. Es braucht jemand, der sie zurückführt. Es gibt Zeit, dass die Erwachsenen sich an die eigene Nase fassen und tüchtig vor der eigenen Haustüre kehren. Braucht jemand einen Besen? Wir sollten uns an unsere Kindheit und Jugendzeit erinnern und fragen, was uns an den Erwachsenen am meisten gestört hatte. Wann kam der Tag, an dem wir unsere Ideale und Wertvorstellungen aufgegeben und das Establishment akzeptiert haben? So wie wir gegen das Establishment aufgemuckt haben, mucken sie heute auf. Dabei hinterfragen sie uns und wir sind ihnen die Antwort schuldig.

In 'Die Blechtrommel' hat Oskar Matzerath gegen die verlogene Welt der Erwachsenen auf seine Art protestiert.
http://de.youtube.com/watch?v=KJnlBJ7cUTo



© 2008 Copyright Kinder-Alarm Schwalbe 19.11.2008

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